Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
uns heranlocken.« Mein Blick glitt zum Dach des Rathauses. Obwohl es geneigt war, damit der Schnee nicht darauf liegen blieb, hatte ein vorausschauender Baumeister Zinnen darauf befestigt, nur für den Fall, dass jemand auf die Idee kam, das Rathaus zu stürmen. So wie wir es jetzt taten. Aber es war niemand dort zu sehen.
»So scheint es«, meinte Jusson. »Aber wie jemand kürzlich sagte, es ist besser, die Falle selbst auszulösen, als zu warten, bis sie zuschnappt.«
Es ist doch äußerst erfreulich, wenn man seine eigenen Worte um die Ohren gehauen bekommt. Meine Hand glitt wieder zu der Wunde an meiner Seite, und diesmal war es Laurel, der sie wegzog.
»Kenelm«, sagte Jeff und musterte finster einen der beiden Wachposten am Pferch. »Jetzt wissen wir, wo er steckt, der Verräter.«
Wohl wahr. Ich sah mich zu der Friedenshüterin um. Wie reagierte sie auf den Verrat eines ihrer Soldaten? Aber Chadde war schon wieder verschwunden.
»Wer ist das?« Ranulf folgte Jeffs Blick.
»Der Wachsoldat, der verschwunden ist, nachdem wir die beiden verprügelten Wachen vor dem Totenhaus entdeckt haben«, meinte Beollan und deutete mit einem Nicken auf den Pferch. »Er ist wieder aufgetaucht, als einer von Heltos Männern.«
»Und das überrascht Sie?«, erkundigte sich Thadro. »Die Prügel für die Wachen waren eine Warnung für alle, die Heltos Pläne unterstützt hatten und nun glaubten, sich davonschleichen zu können, wenn es ungemütlich wurde. Richtig, Gardist Arlis?«
Arlis blieb stumm, aber Jeff murmelte leise etwas von fehlgeleiteten Idioten. Ich schwieg ebenfalls, während ich den Wachsoldaten beobachtete, mit dem ich ab und zu ein Bier getrunken hatte. Kenelm erwiderte meinen Blick starr und presste die Lippen fest zusammen.
»Wenn ja, scheint das keinen großen Eindruck gemacht zu haben«, meinte ein Adliger. »Wer auch immer zu Helto hält, mir scheint, die Mehrzahl der Leute hält zu uns.«
»Das bleibt abzuwarten«, sagte Jusson.
Ich sah erschrocken den König an, weil mir der Gedanke kam, dass die Meute hinter uns sich plötzlich zu einem Überraschungsangriff gegen uns wenden könnte. Doch bevor ich etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür des Rathauses, und eine Gruppe von Leuten trat heraus. Sie trugen alle warme Winterkleidung. Einige waren Mencks Kumpane, andere Handlanger. Der Rest jedoch waren die prominenten Bürger und Ratsältesten, die nicht zu uns in die Residenz des Königs gekommen waren. Offenbar waren sie von der Vernichtung des Wiedererweckten nicht so beeindruckt gewesen wie von dem, was Helto ihnen androhte.
Die vornehmen Bürger auf dem Vorbau traten zur Seite, und Helto erschien, flankiert von Gawell und Ednoth.
Jusson blieb etwa zwanzig Schritte vor den Stufen des Rathauses stehen. Unsere zusammengewürfelte Armee schwärmte hinter uns aus, und die Bogenschützen bezogen Positionen, die ihnen erlaubten, die Wachen an den Pferden und die Bewaffneten neben Helto zu treffen. Heltos Männer reagierten, indem sie ihre eigenen Waffen bereit machten. Helto löste sich aus der Gruppe unter dem Vordach und trat vor. »Ich hatte gehofft«, meinte er kopfschüttelnd, »dass es nicht dazu kommen würde, Euer Majestät.« Seine Miene wirkte bekümmert. »Es ist so unzivilisiert …«
»Bürgermeister Gawell«, unterbrach Jusson ihn, »und Meister Ednoth. Wo ist sie?«
Seine Gnaden und der Vorsitzende der Kaufmannsgilde traten neben Helto an die Treppe. Ein gedämpfter Aufschrei des Erstaunens ging durch unsere Reihen.
Als ich Gawell das letzte Mal gesehen hatte, trug er einen einfachen Mantel und eine ebensolche Hose. Nachdem er den Gardisten entkommen war, hatte er jedoch offenbar Zeit gefunden, sich umzuziehen. Er trug jetzt einen pelzgesäumten, dunkelgrauen Wollumhang, dessen ebenfalls pelzverbrämte Kapuze sein fleischiges Gesicht umrahmte. Selbst seine schwarzen Lederhandschuhe waren pelzgefüttert. Das war nicht ungewöhnlich, wenngleich für einen einfachen Bürgermeister schon sehr vornehm. Doch der Mantel klaffte über seinem Bauch auf und enthüllte eine blaue Samtrobe, die mit Silberfäden bestickt war und auf der winzige Diamanten im kalten Licht funkelten. Das Silber und die Juwelen wetteiferten in ihrem Glanz mit der Amtskette, deren Medaillon auf seinem in Samt gehüllten Bauch ruhte. Gawell funkelte förmlich vor Silber, Juwelen und Gold, und ich musste die Augen zusammenkneifen, um von seinem Anblick nicht geblendet zu werden.
Gawell hatte tief Luft geholt, um
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