Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
mich an. Der Blick der Reflektion war auf etwas hinter mir gerichtet. Ich drehte mich um, weil ich wissen wollte, was mein Spiegelbild so faszinierte.
» Die Verbindung mit dem Faena ist zu stark«, sagte Rosea. »Er ist fast tot.«
Hinter mir war nur Himmel. Ich blickte wieder in den See und blinzelte vor Überraschung. Hinter meiner Reflektion im Wasser tauchte Laurel auf, dessen bernsteinfarbene Augen leuchteten. Während ich zusah, erschien Thadro, staunend. Dann Friedensrichter Ordgar und Ratsherr Geram, gefolgt von einigen Königstreuen, zwei Adligen mit ihren Bewaffneten, Stadtwachen und sogar einigen von Heltos Handlangern. Sie ignorierten mein Spiegelbild und sahen mich direkt an. Mein Herz hämmerte mir bis in die Ohren.
»Er hat etwas mit den anderen gemacht. Er hat sie in ihrem Tod an sich gebunden, soweit ich sehe. Ich kann auch sie nicht erreichen.«
Der See füllte sich mit Menschen – Albe der Schmied, einer seiner Schüler, Danny der Postillion, Kenelm der Verräter, Ratsherr Almaric, noch mehr Stadtwachen, ein Adliger, Schläger von Helto, Söldner vom Dach, Frauen mit Pfeil und Bogen, Männer mit Hackmessern und Spazierstöcken. Ranulf schob sich nach vorn, wieder in menschlicher Gestalt. Aber er war von Stacheldraht umrankt, dessen Spitzen sich in sein Fleisch gruben. Er erwiderte meinen Blick mit der üblichen mürrischen Miene.
» Was für eine prachtvolle Seele, so voller Macht und so vielschichtig. Es wäre eine Schande, sie zu verlieren. «
Die Wellen kräuselten sich, und Jeff drängte sich durch die Schar, bis er zwischen Laurel und Ranulf stand. Dort sah er sich staunend um und blickte dann ebenfalls zu mir hoch. Mein Spiegelbild jedoch schien all die Menschen hinter mir nicht zu bemerken. Ich hob das Bündel von Stäben in meiner Hand, aber im Wasser rührte sich nichts. Das Donnern wurde lauter, schien aus dem Boden unter meinen Füßen zu kommen. Es ist nicht mein Herz, schoss es mir vage durch den Kopf. Es war das Rauschen eines aufgewühlten Ozeans. Der Wind verstärkte sich, drückte das Gras nieder, während er leise heulte, aber die Oberfläche des Sees blieb ruhig. Mein Spiegelbild starrte blindlings auf etwas, das nicht da war. Ich hob die Stäbe hoch in die Luft, und die Menschen im See verfolgten die Bewegung mit ihrem Blick; Laurels Schnurrhaare legten sich zurück, als er lächelte und seine Reißzähne entblößte.
»Wartet, Meister, da passiert etwas …«
Dann ließ ich die Stäbe mit voller Wucht herabsausen. Sie krachten durch die Wasseroberfläche, als wäre sie aus Glas; Scherben flogen durch die Luft, und der gesamte See schien zu explodieren, als ein Ozean sich daraus ergoss und mich überflutete.
Ich hatte schon einmal meinen Wasseraspekt beschworen. Damals war es eine freudige Erfahrung gewesen. Quellen, Brunnen, Bäche, Flüsse, Ströme, Seen und Ozeane hatten alle Ja gesagt, als ich sie einlud. Dies hier hatte nichts Freudiges. Ich wurde gewaltsam gepackt, und die Wellen umtosten mich, bis ich nicht mehr wusste, wo ich aufhörte und mein Wasseraspekt begann.
Lass los! , sagte eine Stimme, die klang wie das Brüllen des Ozeans.
Lass los? Was denn? Ich hatte nichts. Es hatte mich.
Lass los, wiederholte die Stimme.
Meine Lungen brannten, als ich versuchte an die Oberfläche zu kommen, und ich fragte mich, ob ich eine Wahl hatte.
Es gibt immer eine Wahl.
Ich überschlug kurz meine Möglichkeiten. Es gab genau zwei: Ich konnte dem trotzen und ertrinken. Oder ich konnte nachgeben und ertrinken. Wie bei Dyfrig war es eine Frage, woran ich glaubte.
Also gut, dachte ich.
Etwas viel Gewaltigeres als das Meer strich an mir vorbei. Erschreckt atmete ich blubbernd aus.
Also würde ich ertrinken.
Atme.
Ich atmete ein, und das salzige Meer erfüllte mich. Also ertrank ich doch nicht. Vielleicht nicht.
Öffne die Augen.
Ich riss die Augen auf und starrte in Roseas Gesicht. Sie schrak zusammen, richtete sich auf und blickte hastig ihre Hände an, auf denen sich Wasser bildete.
»Du bist nicht Wasser.« Ich ließ Laurels Leiche sanft sinken, nahm die drei Stäbe in die Hand und richtete mich auf. »Das ist eine Lüge.« Rosea trat einen Schritt zurück. Der Saum ihres Gewandes war tropfnass. Hinter mir läutete Dyfrigs Glocke, erneut waberte ihr Gesicht, und über ihre Stirn lief ein Wassertropfen. Ich näherte mich ihr. Meine eigene Kleidung war klatschnass, und ich roch nach dem unbezähmbaren, rauen Meer. »Du bist nur verdammt!«
Rosea öffnete einen
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