Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
beschatten. Ich ließ mich von dem stürmischen Wind davontragen, stieg über die Hausdächer, über die roten Ziegel der Wohnhäuser, die blauen der Geschäfte, die gelben des Theaters und die goldenen des Rathauses und anderer öffentlicher Gebäude. Über all das erhob sich der kristall- und silbergeschmückte Turm der Kirche. Und jenseits der Stadt, am Westtor, sah ich das verblasste Violett der Garnison. Freston sah so aus, wie es aussehen sollte, während immer mehr Leute sich in ihre Geschäfte aufmachten oder ihrer Arbeit nachgingen, der Verkehr durch die Stadttore über die Straßen rumpelte und nirgendwo etwas von Dauthiwaesp zu sehen war. Die Kirchenglocken schlugen die volle Stunde und wetteiferten mit dem Singsang eines Straßenverkäufers, der seine Waren feilbot. Ich sah zu der Friedenshüterin zurück und bemerkte, dass sie näher gekommen war. Ihre Augen waren vor Staunen weit aufgerissen.
»Hase!« Eine Tatze schlug mir ins Gesicht, und ich riss ebenfalls die Augen weit auf. Ich fand mich im Lagerhaus wieder, immer noch von Laurel und Wyln gehalten. Sofort machte ich mich frei, trat von den beiden weg, ließ mir von Jeff den Eschenstab geben und zog meinen Umhang und meinen Wappenrock glatt. Dann hob ich den Kopf und sah alle finster an.
»Wir haben Gesellschaft«, verkündete ich.
13
»Ich habe eine Meldung erhalten, derzufolge verdächtig wirkende Personen in der Nähe des alten Osttores herumschlichen«, erklärte Chadde. »Als ich kam, stellte ich fest, dass das Tor zu diesem Lagerhaus offen stand.«
Nach meiner Ankündigung hatte Thadro einige Königstreue hinausgeschickt, um die Hüterin des Königlichen Friedens zu empfangen. Sie hatten nicht weit gehen müssen, denn Chadde und ihre Männer überquerten bereits den Hof. Auf Jussons Anweisung hin wurden die Stadtwachen auf die Straße geschickt, um den Eingang des Lagerhauses zu bewachen. Chadde wurde hereingeführt und bemerkte fast augenblicklich das Gebilde aus Dunkelheit auf dem Boden.
Jusson lächelte kalt über die Erklärung der Friedenshüterin. »Was für einen lebhaften Humor die Stadtbewohner hier haben.«
Chadde sah hoch, und ihre grauen Augen glänzten. »Ja, Euer Majestät. Das habe ich selbst schon häufig beobachtet.« Sie musterte weiter das Innere der Halle, bis ihr Blick an mir hängen blieb. Ich erwiderte ihn ausdruckslos.
»Ich dachte, Ihr wolltet heute Morgen zu dieser Taverne gehen, ehrenwerte Friedenshüterin«, merkte Laurel an. »Um nach Zeugen zu suchen, die vielleicht gesehen haben, wie der Leichnam des Unglückseligen dort abgelegt wurde.«
»Das werde ich auch tun, Meister Laurel«, antwortete Chadde. »Später. Die Gäste des Kupferschweins sind für gewöhnlich bis Mittag nicht ansprechbar. Ich war jedoch bereits in Mencks Haus, um mit seiner Frau zu sprechen.« Ihr Blick glitt zu Wyln, und auf ihrer Stirn bildete sich eine Falte. Wyln lächelte sie an.
»Was hat sie gesagt?«, erkundigte sich Jusson.
»Sie wüsste nicht, wer ihn getötet hätte oder warum, Euer Majestät«, antwortete Chadde.
»Glauben Sie ihr?«
»Für gewöhnlich nicht«, meinte sie, »aber in diesem Fall schon, angesichts der Art und Weise, wie ihr Ehemann ums Leben kam.« Erneut glitt ihr Blick zu dem dunklen Etwas auf dem Boden. »Darf ich fragen, Euer Majestät, was das ist?«
»Laut Meister Katze und Lord Wyln ist das die Stelle, wo der Oberschließer ermordet wurde«, gab Jusson zurück.
»Tatsächlich?« Chadde ging zu dem dunklen Ding und hockte sich davor. »Das wurde von Mencks Tod verursacht?«
»Es sind Reste des Zaubers, ehrenwerte Friedenshüterin.« Laurel trat neben sie.
»Schwarze Magie in meiner Stadt«, meinte Chadde finster.
»In meiner Stadt«, setzte Jusson hinzu, der mit Thadro ebenfalls zu Chadde und Laurel getreten war und jetzt auf das Gebilde auf dem Boden starrte. »In meinem Königreich. Gegen mein Volk gerichtet.«
»Ja, Euer Majestät«, meinte Chadde. »Mencks Frau sagte, dass er üblicherweise mit seinen Freunden unterwegs war, wenn er ausging.«
»Damit er nicht allein erwischt wurde?«, warf Jusson ein. »Sprecht weiter, Friedenshüterin Chadde. Ihr sagtet, üblicherweise. Hat er sich beim letzten Mal nicht mit seinen Kumpanen getroffen?«
»Nein, Euer Majestät«, antwortete Chadde. »Seine Frau sagte, er wäre gestern Abend allein ausgegangen, nachdem er sein bestes Hemd angezogen hatte. Sie meinte auch, dass er dies nur tat, wenn er sich mit Gawell traf oder in den Hirschsprung
Weitere Kostenlose Bücher