Gretchen
meinem Schöpfer gegenübertrete, mein letzter Wunsch, hören Sie?
ARZT Man kann sich etwas wünschen, wenn man stirbt?
TERRORIST Pro forma.
PFARRERIN 53 Prozent aller Wünsche gehen in Erfüllung.
ARZT Woher wissen Sie das?
PFARRERIN Der HERR hat’s mir gesagt.
TERRORIST Ich dachte, Sie sind Atheistin.
PFARRERIN Na und?
OPFER Ich sterbe. Stirbt.
Stille.
TERRORIST ungläubig Ist er tot?
PFARRERIN Könnte sein.
ARZT Tot?
TERRORIST Tot.
PFARRERIN Da kann man nichts machen.
ARZT Kann man nicht?
TERRORIST Kann man nicht.
PFARRERIN zum Arzt Woran ist er gestorben?
ARZT überlegt Ich könnte eine Darmspiegelung machen.
TERRORIST Vielleicht war es doch kein Tomatensaft. PFARRERIN Wer hätte das gedacht?
TERRORIST Ich nicht.
ARZT Ich auch nicht.
PFARRERIN Ein Drama.
TERRORIST Ja, ein Drama.
ARZT Das ist ein Drama?
GRETCHEN MORGENTHAU Danke!
TERRORIST Absolut.
ARZT Komisch.
GRETCHEN MORGENTHAU Danke!!!
27
Wütend stapfte sie davon. Mit großen Schritten und weit ausholenden Armen. Der Boden erzitterte unter der trotzigen Naturgewalt. Und Blätter stoben davon. Mit beiden Händen hielt sie den Kragen ihrer Jacke vors Gesicht, um es vor dem Wind zu schützen. Kälter wurde es, immer kälter. Im Himmel suchte sie nach Antworten. Aber es dämmerte schon. Nichts zu erkennen, geschweige denn, etwas zu finden. Und so blieben nur die Fragen. Warum? Was war geschehen? Sollte diese Farce Theater gewesen sein? Beckett für Hausfrauen? Mit dieser Hanswurstiade konnte sie ihren Ruf natürlich auch ruinieren, im Handumdrehen, eine Fingerübung für die Journaille, so ein Untergang. Aber wollte sie das? Nein, irrlichterten ihre Gedanken, nein, ganz und gar nicht. Komisch, aber es war nicht egal, und so sollte ihre Liebe nicht enden, so hässlich. Es blieb keine andere Wahl, sie musste noch einmal selbst Hand anlegen, ein letztes Mal. Ihre Begeisterung war kaum messbar, nichts hätte sie weniger gerne getan, außer Joggen vielleicht.
Wie aber wollte sie diesen Hinterwäldlern in drei Wochen das Alphabet beibringen? Ein Utopia. Das Leben hatte einen Knall, es war durchgedreht, völlig außer Kontrolle. Unter professionellen Umständen und mit ordentlichen Schauspielern würde sie sechs bis acht Wochen benötigen. Mit Fruchtfliegen Peer Gynt zu inszenieren, das war einfach nur krank. Es gab keine Chance. Völlig verrückt. Sie würde Tag und Nacht durcharbeiten müssen. Charles Manson konnte sie mit zur Arbeit nehmen, kein Problem, da durfte der persönliche Assistent mal seine Nichtsnutzigkeit vergessen lassen und die sexy Krankenschwester geben. Schließlich gab es auch für ihn ein Schicksal, das er zu erfüllen hatte.
Als sie ihre Herberge erreichte, hörte sie ein merkwürdiges Geräusch. Es war Musik. Sie ging schneller. Es war Brahms. Ungarischer Tanz. Ihr Klingelton. Ihr Telefon! Sie hatte ihr Telefon liegenlassen, es ging ja sowieso nie, und nun klingelte es. Sie riss die Tür auf, schmiss ihre Birkin Bag in die Ecke, schnappte sich das Telefon, tippte auf das Empfangssymbol, hielt das Tor zur Welt fest an ihr Ohr gedrückt und sagte, nein, schrie »Hallo« hinein. Und sie spürte dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, wenn das Unerwartete wie ein Blitz einschlägt. Ein elektrisierender Moment. Endlich erreichte sie jemand, sie hatte den Glauben schon verloren, Halleluja, danke lieber Gott, und ja, sie hatte es doch schon immer geahnt, am Ende siegt die Gerechtigkeit, sie konnte nicht anders.
»Oh, mein lieber Mandelberg«, sagte Gretchen Morgenthau, »wie schön, von Ihnen zu hören. Prächtig geht es mir, prächtig, der Bauch macht mir Sorgen, aber sonst, alles ein Traum und mehr als das. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Eine wunderbare Luft und die Menschen sind von einer solchen Liebenswürdigkeit, kaum zu beschreiben, ein ganz eigener Schlag. Ich genieße jede Sekunde hier. Ich möchte gar nicht mehr weg. Und wie geht es Ihnen, was gibt es Neues aus der alten Welt zu berichten? Erzählen Sie mir alles. Sofort. Und lassen Sie bloß nichts aus.«
Sie setzte sich in den alten, ledernen Sessel in der Nähe des Ofens. Restglut knisterknasterte. Sie aß Pistazien aus einer silbernen Schale und blickte hinaus in die Dämmerung. Bald schon würde es schwarz sein. Aufmerksam lauschte sie den Wörtern, die sich mehr und mehr entfernten, bis nur noch einzelne Silben nachhallten, die mit jeder Wiederholung an Bedeutung verloren und nur noch Klang waren. Draußen stoben Blätter umher und
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