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Gretchen

Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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gemacht. Und ich möchte, dass Sie sehen, was genau ich daraus gemacht habe. Das Stück wird Sie umhauen, und falls nicht, was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, aber angenommen, der unmögliche Fall tritt ein, und das Stück gefällt Ihnen tatsächlich nicht, dann werde ich eine ganze Woche lang Ihren Abwasch machen und dazu die Klagelieder Jeremias endlosschleifen. Ich flehe Sie an«, sagte Tule, und er ging tatsächlich in die Knie und nahm ihre Hand, »geben Sie mir eine halbe Stunde Ihres Lebens, eine kostbare Zeit, ich weiß, aber sehen Sie mich an, ich opfere all meinen Stolz, für die Truppe, für meine Truppe, die ein Urteil verdient hat, von einer Legende, und falls Ihr Herz aus Stein ist, zertrümmern Sie es.«
    Gretchen Morgenthau besaß nicht die Kraft, junge Menschen aufzuhalten, die in Richtung Abgrund liefen. Sie schaute lieber zu. »In genau zwei Stunden.«

26
    Die Abendsonne verscheuchte den leichten Nieselregen und ließ sich noch ein letztes Mal blicken. Sie wärmte gar ein wenig. Doch Gretchen Morgenthau behielt ihren schwarzen Mantel von Marchesa an, ihr fröstelte. Warum nur, dachte sie, warum nur war sie ein so guter Mensch? Was war falsch gelaufen in ihrer Erziehung? Nie hätte sie zustimmen dürfen. Ein Wahnsinn. Sie wusste doch, dass es als Fiasko enden würde, verlorene Zeit, nie wieder aufzuholen.
    Als sie das Theater erreichte, warteten die beiden Assistenten schon. Die Begrüßung beschränkte sich auf ein kurzes Kopfnicken, sie wurde zu ihrem Platz geführt, in der Mitte des Theaters, die Bühne in Sicht. Auf ihrem Stuhl lag ein Blatt, sie nahm es, setzte sich und las. Sie zerknüllte den Zettel, blickte nach vorne und gähnte zur Einstimmung vornehm in ihre rechte Hand hinein.
    Der Vorhang ging auf.
    In der Mitte der Bühne stand Tuva. Sie war angemalt. Afrikanisch. Südlich. Quer über ihre Brüste prunkte rosig leuchtend das Wort Schokolade. Schockierend. Sie sang Ave Maria und ihre Stimme beschallte das Theater mit stolzer Leichtigkeit. Als sie die Gebenedeite ein letztes Mal anrief, breitete sie ihre Arme aus und ließ sich mit einem lauten Knall nach hinten fallen. Der Verfolger schwenkte auf ein Paar am rechten Rand der Bühne. Zwei Männer. Einer der beiden lag auf dem Boden und hielt sich den Bauch. Blut tropfte. In eine Lache, die größer und größer wurde. Für einen Moment war nur der Wind zu hören, der durch die Gänge und in den Ecken heulte. Hier sollte wohl noch mehr passieren.
     
    Die Tragödie nahm ihren Lauf.
     
    OPFER WARUM ICH?
    TERRORIST Warum Sie?
    OPFER Ja, warum ich?
    TERRORIST Zufall.
    OPFER Aber es muss doch einen Grund geben.
    TERRORIST Warum?
    OPFER Na, weil es sonst sinnlos ist.
    TERRORIST Sie brauchen einen Sinn?
    OPFER Ja.
    TERRORIST Wofür?
    OPFER Für den Tod.
    TERRORIST Ach, heutzutage braucht man nicht nur einen Sinn fürs Leben, sondern auch noch einen für den Tod?
    OPFER Ich jedenfalls hätte gerne einen.
    TERRORIST Na dann.
    OPFER Was?
    TERRORIST Suchen Sie sich einen aus.
    OPFER Was?
    TERRORIST Einen Grund.
    OPFER Sie! Sie müssen doch einen Grund haben, den Sie mir geben können. Ich verblute!
    TERRORIST Ehrlich gesagt: Das ist nur Tomatensaft. OPFER empört Nein, das ist Blut.
    TERRORIST Ach was, Tomatensaft.
    OPFER Das ist Blut!
    TERRORIST Woher wollen Sie das wissen?
    OPFER Es tropft aus meinem Bauch.
    TERRORIST Tomatensaft?
    OPFER Nein, Blut!
    TERRORIST Blut ist dunkler.
    OPFER Dieses nicht.
    TERRORIST Dann kann es nur Tomatensaft sein.
    OPFER Scherzen Sie nicht.
    TERRORIST Ich scherze nicht. Ich stelle fest. Dürfte ich mal probieren?
    OPFER Was?
    TERRORIST Die Flüssigkeit, die aus Ihrem Bauch tropft.
    OPFER irritiert Bitte.
     
    Terrorist tupft mit seinem rechten Zeigefinger in die Lache und probiert. Sein Blick schweift nach oben, Stille.
     
    OPFER Und?
    TERRORIST entspannt Tomatensaft. Eindeutig.
    OPFER Holen Sie einen Arzt.
    TERRORIST Warum?
    OPFER Weil ich sterbe.
    TERRORIST Sie spielen doch nur.
    OPFER Nein, ich sterbe.
    TERRORIST Weshalb dann ein Arzt?
    OPFER Man kann nie wissen.
    TERRORIST Also sind Sie nicht sicher.
    OPFER Wie sollte ich?
    TERRORIST Sie sagten eben, Sie würden sterben.
    OPFER ES könnte sein. Es ist sogar sehr wahrscheinlich. Sehen Sie nicht das ganze Blut.
    TERRORIST Das ist Tomatensaft.
    OPFER Rufen Sie jetzt einen Arzt?
    TERRORIST Sie möchten eine zweite Meinung?
    OPFER Ich möchte einen Arzt.
    TERRORIST Wie Sie meinen.
     
    Terrorist ab. Opfer röchelt.
     
    PAUSENCLOWN Zu verstehen, was zu

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