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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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einigen Jahren nicht mehr seine Schülerin war und längst Mademoiselle Goethe hieß, für ihn so wie für alle anderen.
    Da sich das Fräulein auf seine Fragen nach dem werten Befinden ernst und einsilbig zeigte, ging der Herr Schreibmeister bald dazu über, zwecks Füllen der Pause sein Hiersein zu erklären. Er sei nämlich heute bestellt, um für den Herrn Rat in Schönschrift eine Kopie der Doktorarbeit vom Wolfgang, also, des jungen Herrn Doktor Goethe, zu beginnen. Dessen Fräulein Schwester zog dummerweise schon wieder ein missfälliges Gesicht auf diese Nachricht und belehrte nach einem kurzen Schweigen trocken den Herrn Thym, dass es sich bei dem in Frage stehenden Aufsatz um eine Doktorarbeit gerade nicht handele, indem er nämlich leider von der Straßburger Universität als inakzeptabel verworfen worden sei.
    Das musste zu seiner erheblichen Bestürzung der Herr Rat noch vernehmen, der genau in diesem Augenblick den Raum betrat. «Ja aber Cornelie, also, was redest du denn da! Da muss ja der Herr Thym einen ganz falschen Eindruck bekommen.− Es ist nämlich so, Herr Thym, in seinem letzten Brief schreibt mir der Wolfgang, der Dekan hat ihn geladen, voll des Lobes über die Arbeit, die ja, wie ich Ihnen schon berichtet hab, bei der ganzen Fakultät viel Aufmerksamkeit gefunden hat. Und dann hat der Dekan gesagt, der Wolfgang möchte dabei aber bedenken, was eine katholische Universität wie Straßburg sich mit dem Landesherrn für Probleme einhandeln könnte, wenn ein derart politischer Traktat, und zwar im besten protestantischen Sinne politisch, jetzt hier als Doktorarbeit sozusagen im Namen der Universität veröffentlicht wird. Und der Dekan hat ihn also gebeten, ob er nicht vielleicht zum Besten der Universität die Doktorarbeit zurückziehen will, dass er sie lieber privat veröffentlicht und stattdessen für den Doktortitel eine Disputation über Thesen macht. Aus Gründen der Diplomatie, Sie verstehen. Was ihm der Wolfgang natürlich gewährt hat. Sie kennen ihn ja. Dem fällt es nicht schwer, rasch zusätzlich noch ein paar Thesen zusammenzuschreiben. Übermorgen ist’s nun endlich so weit mit dem Examen, eine Formsache, Sie wissen ja. Dann ist er wirklich offiziell Doktor.»
    «Herzlichen Glückwunsch also, Herr Rat. Der Herr Rat wissen ja selbst am besten, was Sie an Ihrem Herrn Sohn haben. Diese seltene Begabung. Diese Leichtigkeit der Auffassung.»
    Cornelie schnaubte. Na, wunderbar. Sie würde sich die ewigen Lobhudeleien über Wolfgang wirklich gerne anhören, wenn sich in den letzten Jahren auch mal irgendjemand für ihre Begabung und ihre Auffassungsgabe interessiert hätte, die nun bestimmt nicht schlechter waren. Fand sie. Aber der Vater hielt sie offenbar sogar für zu blöd, um Wolfgangs lateinischen Traktat abzuschreiben.
    «… die Verspätung», hörte sie den Thym sagen, als sie wieder innerlich dabei war. «Ich hatte leider eine Austrommelung durchzuführen heute.»
    «Ach, das waren Sie. Das Trommeln haben wir nämlich mitbekommen bis hierher, nicht wahr, Cornelie.− Worum ging’s denn?»
    «Das dachte ich mir, dass Sie das interessieren wird. Wo Sie doch an einer rechtsgeschichtlichen Sammlung über unsre Stadt arbeiten. Ich hab mein Exemplar für die Akten noch bei mir von dem Text von den Steckbriefen, die ich verlesen hab bei der Austrommelung. Hier, gucken Sie nur rein.»
    Der Herr Rat, etwas weitsichtig, hielt das Papier am ausgestreckten Arm. «Eiei. Soso. ‹… ein neugebornes Kindlein männlichen Geschlechts in dem hiesigen Gasthaus Zum Einhorn in einem Stalle …› − Also tatsächlich eins von diesen grässlichen, unnatürlichen Verbrechen, nicht wahr! Wo folgt denn die Beschreibung von der Flüchtigen … ah! Cornelie, hör: ‹die gottlose Mutter dieses Kindes, circa 23 Jahr alt, langer, schmaler Statur, trägt einen Berliner flanellenen gewürfelten Rock› − Ja, Cornelchen, was ist dir? Du siehst so − sag bloß, du kennst die infame Person?»
    «Ja − nein − ich weiß nicht. Die Stockums hatten mal eine Magd, oder waren es die de Barys, die jetzt in diesem Gasthaus Zum Einhorn arbeitet und die schwanger sein soll. Die könnte das sein.»
    «Und du kennst sie persönlich?»
    «Nein, Papa, warum sollte ich sie kennen! Warum insistieren Sie so? Ich hab nur Gerüchte gehört bei den Freundinnen über eine schwangere Magd in dieser Judenherberge. Das war’s. Mehr weiß ich nicht.»
    Mehr wusste sie auch nicht. Weiß der Himmel, warum sie sich

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