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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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trotzdem regelrecht ertappt fühlte.

SAMSTAG, 3. AUGUST, VIER UHR NACHMITTAGS
    UNGEFÄHR ZU DER GLEICHEN Zeit kam draußen vor der Stadt eine einzelne junge Frau die Mainzer Chaussee entlang, mit einem Schritt, ungefähr so, als sei sie schon tagelang gelaufen.
    Und das stimmte beinahe. Es war nämlich die Susann. Die war heut Morgen in ihrer Verzweiflung zu dem Schluss gekommen: Sie wolle es lieber durchstehen, was auch immer in Frankfurt auf sie wartete. Lieber dem Schrecklichen direkt ins Auge sehen und Gewissheit haben, als sich schwach, wie sie war, in Angst und Ungewissheit in Mainz als halbe Bettlerin durchschlagen und ständig mit den Häschern rechnen. Wenn denn welche unterwegs waren. Sie hoffte natürlich, dass nicht. Und zwar hoffte sie das umso mehr, je näher sie ihrem Frankfurt kam mit all seinen vertrauten Plätzen und dem gewohnten alltäglichen Leben. Das konnte doch nicht wahr sein, dass ihre Schwestern sie tatsächlich angezeigt hatten! Die waren höchstens in heller Aufregung dabei, sie zu suchen. Die Ärmsten. Auf der Höhe der Galgenwarte ungefähr fing sie an sich vorzustellen, wie sie ihrer Schwester Dorette in die Arme fallen und alles Schimpfen gerne ertragen würde.
    Inzwischen aber hat sie schon das Bockenheimer Tor im Blick, eine Viertelmeile vielleicht hat sie noch zu gehen, und die Vorstellung, wie die Dorette sie umarmen wird, ist nicht mehr so greifbar. Gar nichts ist mehr greifbar. Die Susann hört schließlich ganz auf zu denken und geht einfach weiter und weiter und schließlich auf die Brücke zu. Wie blind schreitet sie an der Wache vorüber, die dort vor dem ersten Wassergraben postiert ist. Auf die Brücke. Hinüber über die Brücke. Über die zweite Brücke. Und dann zum Tor.
     
    Der Soldat Setzentreibel war heut Nachmittag zur Wache vorm Bockenheimer Tor abgestellt. Was ihm ganz recht war: Lieber den Rest des Tages hier draußen im Grünen an der Schanze stehen als sich an der Zellentür vom verrückten Senckenberg weiter schikanieren lassen.
    Aber auch der Dienst als Stadtwache hatte seine Tücken.
    Zum Beispiel dieses Weibsbild hier: Er hat von weitem schon so ein seltsames Gefühl gehabt, und nun, als sie heran ist, da fällt es ihm ein: Langer Statur, Berliner gewürfelter Rock − ei, da passt ja glatt die Beschreibung von der gesuchten Mörderin drauf auf das Mädel hier! Eigentlich müsst er die jetzt anhalten, gell. Andererseits, lächerlich will er sich auch nicht machen. Denn die hier kann es ja schlecht sein, die Gesuchte. Natürlich war die Meldung gestern Nacht gleich an die Tore gegangen, damit man die Person an der Flucht aus der Stadt hindere. Die würd doch nicht in die Stadt gelaufen kommen, die Mörderin!
    Andererseits, das Mädel hier hat nicht grad geguckt, als ob alles in Ordnung wär mit ihm. Irgendeine Sorge hat die. Natürlich in Wahrheit bestimmt eine ganz andere, alltägliche, unschuldige −
    Nun kommt aber doch der Soldat Setzentreibel richtig ins Schwitzen. Ja verdammt, hätt er die nicht auf jeden Fall jetzt anhalten müssen? Egal, wie unwahrscheinlich es ist, dass es sich um die Gesuchte handelt? Wie pflegte der Sergeant immer zu sagen: Nicht denken, Setzentreibel, gehorchen! Und die Beschreibung −
    Er dreht sich um zur Schanze.
    «He, Sie!», brüllt er der Person hinterher, die schon im Torbogen verschwindet.
    Im gleichen Moment wird ihm siedendheiß klar, was für eine hirnrissige Dummheit er sich gerade wieder leistet. Denn wenn sie die Gesuchte wär, das Weibsbild, dann würd sie ja wohl kaum auf seinen Anruf hin stehenbleiben, sondern im Gegenteil würd sie augenblicklich Fersengeld geben und in irgendeiner Gass verschwinden, bevor er noch über die Brücken hinter ihr her und durch das Tor durch ist. Warum müssen grad ihm immer solche Schnitzer passieren? Und jetzt guckt auch noch der Türmer aus dem Fenster und bekommt alles mit. Das Weib ist unterdessen beim Tor stehengeblieben und wartet brav wie jede ehrliche Bürgerin, bis er mit nervösen Schritten übern Wassergraben und bei ihr ist, was seine von Anfang an gehegte These bestätigt, dass sie die Gesuchte nicht sein kann. Du lieber Himmel, wie hat er sich hier wieder hineingeritten in eine Bredouille. Und der Türmer hört jedes Wort. So. Endlich da. Er gibt sich forsch.
    «Wie heißt Sie? Was hat Sie in Frankfurt zu suchen?»
    Das Mädel sieht ihn mit großen Augen an. Und nach einer langen Pause sagt sie: Susann Brandin heiße sie und sei Dienstmagd im Gasthaus Zum

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