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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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wissen sie selbst nicht», riet Georg, «es ist wahrscheinlich eine Mutprobe. Ich würde der Brandin nicht wünschen, dass sie denen in die Hände fällt.»
    Langweilig wenigstens, dachte Cornelie, plötzlich euphorisch, langweilig würde es heute hier draußen ganz bestimmt nicht werden. Da hätte sich das Frieren wenigstens gelohnt.
     
    Das dachte sich auch die Dienstmagd Margret Seyfriedin im Gasthaus Zum Einhorn , die sich im selben Augenblick aus der Tür der Bierstube schleichen wollte. Leider wurde sie erwischt.
    «Margret! Wohin des Wegs?», brüllte ihr die Bauerin hinterher, die gerade aus der Wohnstube eintrat.
    «Ei, es ist doch jetzt nichts weiter zu tun», verteidigte sich die Margret. Und sie hatte recht. Die Bierstube war nie so leer gewesen. Zu essen würde es Reste von gestern geben. Alles war vorbereitet.
    «Von meinen Leuten geht niemand da hin! Hört Ihr, Margret! Niemand.»
    Wenn die Bauerin diesen höchst bestimmten Ton anschlug, dann fügte man sich besser. Unwillig lockerte die Seyfriedin ihr gegen den Januarwind sehr fest gestecktes flanellenes Halstuch und ging, statt in die Küche, in die Ecke von der Bierstub, wo sie sich neben den beiden trüben Tassen am Bauerischen Tisch niederließ. Die trüben Tassen, das waren der Bonum und die kleine Küchengehilfin Eva Wetzelin. Die so klein nicht mehr war, seit sie hier bei der Bauerin dieser die Haare vom Kopf fressen durfte. Zwei Handbreit geschossen war die Kleine seit Mitte August, als sie hier angefangen hatte.
    Die Eva und der Bonum, das hatte die Seyfriedin längst spitzgekriegt, gehörten zu jenen wenigen Personen im Haus, die mehr oder weniger verstohlen dem Hürchen nachweinten. Weshalb die Seyfriedin sich jetzt grad so gern und zum Trotz neben die beiden setzt: Damit ihre missbilligende Anwesenheit die beiden Jammerlappen daran erinnere, dass es sich bei der heimlich Beweinten um eine kaltblütige, grausame Mörderin handelte, um die man guten Gewissens gar nicht trauern durfte.
    Die Dauerlogiererin Hundchen, die krumm am Kopfende des Tischs saß mit ihrem Stock neben sich, die nahm der Margret ahnungslos ein bisschen Arbeit ab, indem sie einmal mehr mit ihrer alten Zitterstimme ungläubig in den Raum warf, was sie sicher tausendfach wiederholt hatte in den letzten Monaten: «Ja, wer hätte das gedacht! Dass das nette Mädchen so ein Luder ist!»
    «Wie wahr», stimmte die Seyfriedin fröhlich zu, «man hätt’s auf den ersten Blick nie von ihr gemeint! Diese Durchtriebenheit! Wie hat sie mir scheinheilig vorgeheuchelt von ihrer Unschuld, dass ich ihr sogar an dem Abend noch aufs Wort geglaubt hab. Nur gut, dass es noch eine Gerechtigkeit gibt auf der Welt.»
    Hier vernahm man, wie die beiden anderen fast gleichzeitig scharf den Atem einzogen: die Eva, die mit gesenktem Kopf in ihrer Flickarbeit stochert, und der Bonum, der nervös die Finger spielen lässt auf dem Tisch und den leeren Blick nirgendwo hin gerichtet hat, ins Nichts, an die gegenüberliegende Wand.
    In Wahrheit wäre der Bonum jetzt ganz gern an der Hauptwache. Besser als hier gequält herumzusitzen. Er traute sich nur nicht zu gehen, weil er wusste, die Bauerin war dagegen, und sein gutes Verhältnis mit ihr, das wollte er natürlich nicht aufs Spiel setzen.
    Ja, es stimmt, er hätte gern noch einen letzten Blick auf die Susann geworfen. Und vielleicht wäre die sogar froh, in ihrer schlimmsten Stunde wenigstens ein bekanntes Gesicht zu sehen unter den vielen fremden. Sonst war ja niemand da.
    Sie war ja ganz allein.
     
    Auf dem von Soldaten bewachten und vom Volk umlagerten Katharinenturm fand ein Festmahl statt.
    Riesige Berge von Fleisch waren aufgefahren, die eigens aufgebockte Tafel in der Stube des Richters Weines bog sich unter dem Gewicht von insgesamt dreißig Pfund Wurst, Rindfleisch, Karpfen und Kalbsbraten, von dreißig Milchbroten, zwei Laibern Schwarzbrot und achteinhalb Maß unverdünntem Wein vom Feinsten, Jahrgang achtundvierzig.
    Aber man sprach nicht an der Tafel. Es war, außer dem beunruhigenden, dumpfen Lärm der Volksmasse draußen, nichts zu hören als Kauen, Knacken, Schmatzen und gelegentliches Rülpsen.
    Die kräftigen Essgeräusche kamen erstens von den fünf im letzten Jahr selten ganz satt gewordenen Soldaten, die heute Nacht hier gewacht hatten und nun vor der Stubentür lagernd pfundweise Käse, Brot und zwölf Maß Bier vertilgten. Und sie kamen auch von den in halbwegs sittsamer Haltung mit an der Tafel sitzenden beiden

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