Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
möge sie verstehen, entgegnet also die Bauerin sehr bestimmt, dass bei den Umständen noch mehr Entgegenkommen ganz gewiss nicht möglich sei.
«Ich versteh Euch ja, Frau Bauerin», sagt die Hechtelin und nimmt nun ihrerseits die Hand der anderen, «aber wo soll die Susann denn hin in der Zeit? Es ist nämlich so, mein Mann hat sie noch nie gemocht, und nun sagt er mir, er nimmt sie nicht. Sie käm ihm nicht ins Haus.»
Die Bauerin zieht ihre Hand zurück.
«Also ich bitt Euch, Frau Hechtelin! Es wird sich doch wohl bei zwei erwachsenen, verheirateten Schwestern in der Stadt auf ein paar Wochen ein Plätzchen finden für die Susann. Und wenn Euer Hechtel sie nicht nehmen will , dann wird er sie halt nehmen müssen , gelle.» (Und wenn’s leben sollte, am Ende auch das Kind, denkt sich die Bauerin, aber hütet sich, es zu sagen.) «Das ist aber nun Euer Bier, wie Ihr Euch da einigt, Ihr und der Mann und die Frau Königin, und einen Bruder habt Ihr ja auch noch. Bei mir geht sie jedenfalls den ersten August und keinen Tag später.»
Worauf die Frau Bauerin sich schnaufend aufquält zwischen Bank und Tisch und damit das Gespräch beendet.
Sie komplimentiert die Hechtelin über die Hoftür der Wohnstube hinaus, damit sie nicht etwa beim Gang durch die Bierstub auf ihre Schwester trifft und mit der zu reden beginnt. Die Bauerin hat nämlich beschlossen (und dies hatte sie dem Hechtel auch so gesagt): Die Susann solle bis zum 31. von der Kündigung nichts wissen. Das sei für beide Seiten leichter so.
Als allerdings die Wirtin zurück in die Bierstube kommt und den verstörten Blick des Mädchens bemerkt, da ahnt sie, dass es durch die Tür irgendwas mitbekommen haben muss, trotz des Lärms hier im Gastraum. Sie besinnt sich. Ehe es womöglich zu einer Szene kommt mit der Susann vor allen Gästen, tritt sie den taktischen Rückzug an, verschwindet gleich wieder nach hinten in die Stube und von da aus nach oben in ihr Schlafgemach. Sie sieht vorher nur noch schnell in die Kinderschlafkammer, um ihrer dort wegen angeblicher Übelkeit niedergestreckt liegenden Schwiegertochter mitzuteilen: Sie wolle selbst früh ins Bett und nicht mehr gestört werden, und dies möge sie bitte auch den anderen sagen.− So, damit wäre sie ihrer Magd für den Rest des Abends aus dem Weg gegangen. Die Susann soll erst einmal eine Nacht schlafen über dem, was sie leider wohl gehört hat. Dann wird sie sich morgen schon beruhigt haben.
Eine gute Dreiviertelstunde später betrat, müde und ihrerseits von Schwangerschaftsübelkeit geplagt, die Hechtelin neuerlich die Bierstube. Sie war inzwischen oben auf der Alten Gasse bei ihrer Schwester Ursel Königin gewesen, hatte dort die Lage geschildert – und wenig erreicht.
Die Ursel hatte ja so reagieren müssen . An den Hals hatte sie sich gefasst, einen leidenden Ausdruck aufgesetzt und erklärt, sie habe es immer gewusst, wie es enden würde mit der Susann, und die Dorette könne wohl kaum erwarten, dass nun ausgerechnet sie und ihr König das freche Ding bei sich aufnähmen. Zumal sie ja viel weniger Geld und Platz hätten als Hechtels. Und ganz abgesehen davon, dass sie (die Ursel) schon Vapeurs bekomme bei dem Gedanken an den Bauch von der Susann, und wie stünde sie denn da vor der Frau von Stockum und dem Fräulein du Fay, wenn sie das Luder auch noch bei sich zu Hause hätte.
Der Tambour König selbst hatte gar nichts gesagt und nur vor sich hin gegrinst. Die Hechtelin versuchte sich unterwegs zurück in die Altstadt einzureden, dass sein Schweigen als gutes Zeichen zu werten sei. Aber so recht überzeugt war sie davon leider nicht.
Todmüde und elend wieder beim Einhorn angekommen, ist sie erleichtert, dass die Bauerin nirgends zu sehen ist. Die Susann aber kommt gleich mit ernster Miene auf sie zu und nimmt sie beiseite.
Dummerweise versteht die Hechtelin bei dem lauten Stimmengewirr im Raum wieder kein Wort von dem, was ihre Schwester ihr aufgeregt ins Ohr sagt. Sie packt das Mädchen fest am Arm. «Hör mir zu, Kind. Die Bauerin hat zum ersten August eine neue Magd gedungen und will dich dafür fortschicken. Angeblich will sie dich zur Messe wieder nehmen, wenn du gesund bist, aber wer weiß, ob’s stimmt, und zu uns kannst du nicht. Du weißt, wie der Hechtel über dich denkt. Und die Ursel will dich auch nicht haben. Sieh also zu, dass du die Bauerin überredest, dass du gar nicht erst fort musst. Es ist nicht recht, dass sie dich hinauswirft so kurz vor der
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