Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
ihrer Lage verständlichen Hintergedanken hatte. Wenn er erst mal da wäre, der Wolfgang, dann würde er, wie sie ihn kannte, sehr häufig Freunde mit ins Haus bringen. Männer. Neue, interessante Männerbekanntschaften en masse für sie, für Cornelie.
Und weiß Gott, dass sie die bitter nötig hatte.
DONNERSTAG, 1. AUGUST 1771
VOR DEM Frühstück hat die Susann von der Frau Bauerin die dreißig Kreuzer ausgehändigt bekommen, die noch ausstanden von ihrem Vierteljahreslohn. Ihr ist ganz flau im Magen geworden dabei und weich in den Knien, denn fast hatte sie ja vorher noch gehofft, dass die Frau Bauerin es nicht wahrmachen, sie nicht wirklich aus dem Haus jagen würde. Um es nur so weit wie möglich hinauszuzögern, dass sie fortgehen und wie eine Bettlerin an die Tür einer unwilligen Schwester klopfen muss, hat die Susann dann, nach dem ersten Schreck, das Geld noch in der Hand, möglichst beiläufig gefragt: «Frau Bauerin, soll ich Euch denn noch zur Hand gehen heute, bis die Neue da ist?»
«Ach ja, Susann, den Gefallen tut mir.»
Das ist jetzt viele, viele Stunden her. Der Tag ist verlaufen wie immer, Nachmittag ist es geworden, die Susann hat nach dem Mittagessen in der Bierstub bedient und gegen drei, vom Christoph abgelöst, in der Küche die kleine Wäsche in Angriff genommen.
Ihre Hände und Füße sind seit Stunden kalt vor Anspannung. Seit elf schon hat sie gebangt und gehofft, und seit es drei geschlagen hat, da wagt sie, ein bisschen innerlich zu jubeln. Es scheint nämlich so, dass sie wieder einmal unerwartetes Glück hatte, dass wieder einmal Befürchtetes nicht eintritt: Indem ja die neue Magd die Bauerin anscheinend versetzt hat und wahrscheinlich längst anderswo arbeitet. Wenn man nämlich zu einem bestimmten Termin einen Dienst anzutreten hat, dann wird man wohl kaum bis Nachmittag warten, sich zu zeigen! Bis nach drei doch nicht! Zumal die Neue hier in Frankfurt logiert und nicht gerade einen weiten Weg bis zum Einhorn hat.
Es schlägt halb vier.
Es schlägt Viertel vor vier.
Und als die Susann nunmehr die Tür gehen hört zwischen Stube und Kinderschlafkammer und Schritte sich nähern, da ist sie glücklich gewiss: Die Frau Bauerin kommt, um ihr zu sagen, weil die Neue nicht zum Dienst erschienen sei, müsse sie nun doch nicht aus dem Haus.
Tatsächlich kommt da die Frau Bauerin.
Und ein paar Schritt dahinter mit einem Sack Gepäck die Neue.
«So, Susann, hier ist nun unsre neue Magd, die Jungfer Margret Seyfriedin. Gelle, Ihr zeigt ihr rasch die Küche.»
Die Neue guckt unersprießlich drein.
«Auf ein Wort, Frau Bauerin.»
Die Bauerin verschwindet mit der Neuen in der Kinderschlafkammer. Von hinter der angelehnten Tür vernimmt die Susann Getuschel. Von «alter Magd» ist die Rede auf Seiten der Margret. «Nein, nein», beginnt die Auskunft, die sie darauf erhält. Die Susann, an ihrem Zuber, ist schweißgebadet.
Alsbald erscheint die Neue allein in der Küche. Forsch schließt sie hinter sich die Tür, blickt sich prüfend um und lässt ihr Gepäck sinken. «Eure Kiste steht links neben dem Bett», erklärt die Susann. Worauf die Seyfriedin, mit ihrem Sack Richtung Kiste schlendernd, wie zur Begrüßung bemerkt: «Köchin, es geht ein übles Gerücht über Euch in der Stadt. Es heißt, Ihr wärt schwanger.»
Das hat der Susann jetzt gerade gefehlt. Sie schrubbt an der Wäsche, als könnte die was dafür, und entgegnet so keck und so wenig weinerlich, wie sie eben kann: Sie bräuchte wohl viel Dreck, den Leuten ihre Mäuler zu stopfen.
«Meine Zeit! Die Frechheit steht Ihr aber schlecht an, bei dem dicken Bauch! − Sei Sie nicht so verstockt und geb es zu, es glaubt Ihr ja doch keiner, dass Sie unschuldig ist.»
«Man kann nichts zugeben, was man nicht getan hat. Ich hatte ein Aas zur Kameradin, die hat mich so in Rage gebracht, dass mir vor Zorn das Blut weggeblieben ist.»
Die Susann fängt an, die Wäsche auszuwringen. Normalerweise schrubbt sie länger, doch je eher sie jetzt fertig ist, desto eher kann sie auf den Boden zum Aufhängen und dieser Ziege entkommen.
Die macht dem ersten Eindruck Ehre und gibt keine Ruh, während sie der Susann seelenruhig beim Wringen zusieht. «Wenn’s stimmt, dass Sie schwanger ist», moralisiert sie hochnäsig auf ihrem Schemel, auf den sie sich niedergelassen hat, «dann bitte Sie Gott von Herzen, dass er Ihr gute Gedanken verleihen möge. Wenn’s aber nicht stimmt, so kann Sie ganz zufrieden sein über das viele Geschwätz,
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