Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
Vom Netzwerk:
Statt dass du hier mich anbetteln und anjammern tust, geh lieber zu deiner Freundin, der Bauerin. Die ist doch auch nicht mehr ganz richtig im Kopf. Wenn ich meinen Gesellen so kurzfristig vor die Tür setzen tät, der würd mir was husten.»
    Das würde der (der natürlich zuhörte) in der Tat, und die Dorette Hechtelin war ohnehin fest entschlossen, der Bauerin − eher als ihr Gatte den Ansichten anderer zugänglich − am selben Abend noch gewisse Vorhaltungen zu machen.
    Nicht, dass es ihr so leicht fiele, sich schon wieder mit ihrer guten Freundin anzulegen. Aber das geht doch nun wirklich nicht! Die Ungerechtigkeit! Nachdem der Dr.   Burggrave ja nun festgestellt hat, die Susann sei gar nicht schwanger! Und das treue, fleißige Mädchen ausgerechnet kurz vor der Messe vor die Tür zu setzen, wenn es endlich seine wohlverdienten Trinkgelder einnehmen könnte.
     
    Die Bauerin wusste ganz genau, was auf sie zukam, als die Hechtelin abends mit sehr ernstem Gesichtsausdruck die angenehm warme Bierstube betrat. (Draußen war es unsommerlich kühl.) «Wir wollen nach hinten gehen, gelle, Frau Hechtelin», sagt sie, greift die Besucherin am Arm und führt sie in ihre Wohnstube, bevor sie auch nur ein einziges Wort mit ihrer Schwester Susann wechseln kann. Die steht am Zapfhahn und sieht den beiden stumm hinterher.
    Die Bauerin nötigt die Hechtelin, sich dicht bei ihr auf die Eckbank zu setzen. Dort auf dem goldgelben Polster bringt die Hechtelin all das vor, was sie vorzubringen hat. Die Witwe Bauerin hört sich die Beschwerden auch sehr geduldig an. Und dann spielt sie direkt ins gute linke Ohr der Hechtelin ihren Trumpf aus: Am kommenden Donnerstag, dem ersten August, sei das laufende Dienstvierteljahr um von der Susann, und sie, die Bauerin, daher nach Recht und Gesetz befugt, dem Mädchen zu kündigen. Worauf natürlich die Hechtelin, die Besseres erhofft hatte, sauer dreinblickt. Schon setzt sie an, sich zu beklagen, da nimmt die Bauerin beschwichtigend ihre Hand und redet weiter. «Aber macht Euch deshalb keine Sorgen, Frau Hechtelin. Ich will doch der Susann nichts Böses. Es ist nur so, dass das Mädchen im Augenblick doch krank ist. Das sagt ja auch der Doktor Burggrave, gelle. Sie soll also nur ein paar Wochen bei Euch ihre Gesundheit pflegen. Und wenn sie dann wieder auf dem Damm ist – wir hoffen, noch vor der Messe –, dann will ich sie gleich wieder nehmen. Ich brauch doch sowieso zwei Mägde zur Mess und hab jetzt trotzdem nur eine neue gedungen. Das soll Euch zeigen, wie gut ich’s mit der Susann meine.»
    In der Tat ist das Letzte, was die Bauerin will, bei der nächsten Messe mit nur einer Magd und ohne ihre bewährte Susann auskommen zu müssen. Bekanntlich hatte aber die Susann Anfang Dezember ihr Blut zuletzt. Da die Herbstmesse zum 15. August beginnt, hat die Bauerin sich insgeheim ausgerechnet, dass die «Krankheit» von der Susann nur mit viel Glück vorher «kuriert» sein kann. Vielmehr steht wohl das Schlimmste ausgerechnet zur Messezeit bevor. Demnach wird also wahrscheinlich sie, die Bauerin, dann wirklich im größten Trubel mit nur einer einzigen Magd dastehen, einer zudem, die im Gasthausbetrieb keine Erfahrung hat, und mit einer faulen, mauligen Schwiegertochter, auf die kein Verlass ist. Das Risiko geht sie ein für die Susann, um ihr die Stellung freizuhalten, bis endlich das Elend vorbei ist mit dem dicken Bauch. Sie sieht ihrer Freundin Hechtelin jetzt eindringlich in die Augen und drückt ihr die Hand, auf dass der klar werde, dass sie nun beim besten Willen keinen Grund zur Beschwerde habe. Sondern eher zu Freude und Dankbarkeit. Andere hätten doch die Susann vor Monaten hinausgeworfen, und zwar endgültig.
    Die Hechtelin wirkt aber überhaupt nicht froh und rutscht fahrig und unglücklich neben der Wirtin auf der Bank herum. Sie wisse die Freundlichkeit der Frau Bauerin zu schätzen, sagt sie immerhin, aber die Einschränkung folgt auf dem Fuß: Einen kranken Dienstboten setze man doch nicht vor die Tür während seiner Krankheit, und ob denn die Susann nicht ihre Gesundheit genauso gut im Bauerischen Haushalt pflegen könne für ein paar Wochen und nebenbei noch der Frau Bauerin sehr nützlich sein, indem sie nämlich die neue Magd in alles einweise?
    Die Bauerin muss sich nun doch etwas beherrschen. (Die Hechtelin weiß doch so gut wie sie, dass es hier nicht um eine gewöhnliche Krankheit und ein gewöhnliches Auskurieren geht! Beileibe nicht.) Die Frau Hechtelin

Weitere Kostenlose Bücher