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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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In der fremden Stadt wohnen alle glücklich und zufrieden beisammen. Die Susann bekommt mehrere hübsche, gesunde Kinder mit dem geliebten Kaufmann, muss nicht mehr hart arbeiten, sich nie wieder Sorgen über die Zukunft machen und ist sehr, sehr freundlich zu ihren Mägden, die ihr dafür unendlich dankbar sind.
    Und schläft ein.

EIN JAHR SPÄTER, 2. AUGUST 1771
    ABENDS UM GENAU Viertel nach elf durchschritt der höchst erfolgreiche Kaufmann und jugendliche Witwer Pietro oder Peter Brentano die alte Bornheimer Pforte in Richtung Fahrgasse. Er war auf dem Heimweg von einem Besuch bei Freunden und sehr in Gedanken. Man hatte ihm nämlich zugesetzt, er müsse wieder heiraten. Schon um seiner kleinen Kinder willen. Und wegen der Chancen, gelle: Wenn nämlich die neue Braut diesmal nicht wie das letzte Mal ein Cousinchen aus Italien wäre, sondern von hier und aus einem Adelshaus, dann könnte er sich mit der Ehe noch die Nobilität erwerben oder zumindest einen schönen Rats- oder Residententitel.
    Ungefähr auf der Höhe des Brunnens wurde der Herr Brentano, übrigens eine äußerlich sehr ansehnliche Person, aus seinen Gedanken gerissen. Laute, aufgeregte Stimmen drangen an sein Ohr. Er erschrak. Dio mio! Brannte es etwa irgendwo? Das viele Fachwerk, die engen Gassen … man lebte ja in der Altstadt in ständiger Angst vor einer Feuersbrunst. Bislang war zwar der Firmensitz der Brentanos im Nürnberger Hof immer glimpflich davongekommen, und dass es jetzt nach Rauch roch, sagte bei all den Schloten hier gar nichts. Aber besser sichergehen, dass da heut Nacht kein Inferno bevorstand. Der Herr Brentano marschierte also dem Geschrei nach. Das führte ihn stracks Richtung Judengasse, in der ja auch schon zweimal ein verheerender Brand gewütet hatte …
    Während er aber aufs Judenbrücklein zuhielt, wurde ihm nach und nach klar, dass wahrscheinlich der Lärm – der jetzt nachließ – gar nicht aus der Judengasse kam, sondern aus dem links davor gelegenen Gasthaus Zum Einhorn . Da waren nämlich einige Fenster erleuchtet. Und auch vom Hof drang ein matter Lichtschein.
    Die Polizeistunde allerdings war längst vorüber.
    Er erreicht gerade die Höhe des Gasthofs, da treten ihm aus dessen Torweg zwei Gestalten entgegen. Lang, schmal und militärisch uniformiert die eine, rund, weiblich und in einer Art Nonnenhabit die andere. Dahinter strömen noch weitere Leute vom Hof auf die Gasse, ein ganzer Pulk, in Nachtkleidern teils, wie hastig vor Flammen geflohen. Anscheinend brannte es tatsächlich. Aber von Löschaktivitäten keine Spur.
    «Ist hier Brand?», fragt der Kaufmann die Gruppe in seinem bis heute sehr gebrochenen Deutsch. Statt einer Antwort kommen von dem langen Uniformierten barsch die Worte «Keine Zeit!», während er mit der dicken Nonne im Schlepptau eilig Richtung Fahrgasse abzieht. Von den übrigen Herausgekommenen sagt niemand was. Schweigend lungern sie vorm Tor und mustern den Kaufmann beinahe feindselig oder weichen seinem Blick aus.
    Rätselhaft. Der Herr Brentano will gerade achselzuckend und etwas gereizt sich wieder auf seinen unterbrochenen Heimweg machen, da bemerkt er unter den Leuten jemanden, den er flüchtig kennt: den Knecht Bonum. Der pflegt ihm Zitrusfrüchte en gros abzunehmen vor gewissen jüdischen Feiertagen. So, der hat ihm jetzt zu antworten, wenn er noch einmal einen guten Rabatt haben will. «He, Er, Bonum», ruft er ihm zu. «Was ist passiert? Was hatte gemacht der Soldate hier?»
    «Der Herr Brentano! Mit Verlaub, Herr Brentano, ich weiß von nichts, ich hab auch mit der Person, also, ich hab mit der nicht näher zu tun gehabt, wirklich nicht, mich dürfen der Herr nicht fragen.»
    Was auch immer hier vorgefallen war, um ein Feuer handelte es sich offenbar nicht. Der Herr Brentano seufzte und kehrte zügig wieder dahin um, woher er gekommen war: zur Fahrgasse. Das heißt zufällig, hinter dem langen Sergeanten her. Dessen Schritte hallten laut auf dem nächtlichen Pflaster, und die kleine, runde Schwester daneben musste mit ihren kurzen Beinen doppelt so schnell trippeln, um mitzuhalten. Sie hatte etwas zu tragen. Es sah verdächtig wie ein Säugling aus; Peter Brentano sah es jetzt ganz gut im Licht der Straßenlaternen.
    Die Laternen waren übrigens neu und stammten aus dem Siebenjährigen Krieg. Von dem hatte sich die Stadt gerade erst erholt. Nicht, dass man beschossen worden wäre: O nein. Der Rat pflegte fremden Heeren freundlich die Türen zu öffnen, statt sich mit

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