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Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Tasche von der Schulter und warf sie durch den Raum.
    Archie sah es geschehen, er sah, wie der Maskenmann etwas Scharfes, Silbernes an Susans Gesicht hob – eine Piercingnadel. Shark Boy verstärkte seinen Griff. Susan wehrte sich, aber der Maskierte hielt die Nadel an die glatte, gerötete Haut ihrer Wange, und sie erstarrte.
    Das ausdruckslose Gesicht unter der Maske zeigte in Richtung Archie. »Ich glaube, du bist wegen etwas anderem hier«, sagte der Mann.
    Niemand bewegte sich. Die Nadel berührte beinahe Susans Gesicht, sie hätte nicht einmal zucken dürfen, ohne geschnitten zu werden. Susans Augen weiteten sich.
    »Die Hauptblutgefässe der Arteria lingualis gehen durch die Zunge«, fuhr der Maskenmann fort. »Das ist die große Ader, von der du gesprochen hast. Mal Manchego-Käse gegessen? So fühlt es sich an, wenn man eine Nadel durch die Zunge sticht. Als würde man mit dem Messer in Manchego schneiden. Das Knorpelgewebe macht so einen leisen, feuchten Knall, wie ein Auflauf, der angestochen wird.«
    »Lass mich raten«, sagte Susan. »Du arbeitest in der Gastronomie?«
    Shark Boy hatte eine Hand auf Susans Stirn gelegt und ihren Kopf nach hinten gerissen, sodass ihr Hinterkopf fest an seiner Schulter anlag.
    Sie wusste noch nicht, was geschehen würde, aber Archie wusste es. Er konnte es nicht verhindern. »Alles wird gut«, sagte er.
    Der maskierte Mann schob das Ende der Nadel in Susans Wange. Sie drang so mühelos ein wie eine Reißzwecke in eine Korktafel. Die Haut wölbte sich für einen Moment auf der anderen Seite, dann stieß die Nadel durch, genau unter ihrem Auge. Es dauerte einen Wimpernschlag. Susan hatte kaum Zeit aufzuschreien. Dann war es vorbei.
    Die fünf Zentimeter lange Nadel blieb durch ihre Wange gefädelt.
    Die Waffe drückte in Archies Rücken. Er konnte sie ziehen, aber sie steckte unter dem Hemd, und er würde ein paar Sekunden danach fummeln müssen. Die Frage war also, würden sie Susan in der Panik dieser Augenblicke noch mehr antun oder würden sie ihr mehr tun, wenn er nichts unternahm?
    Susans Augen waren wild vor Zorn und Fassungslosigkeit. Sie bemühte sich verzweifelt, die Hände zu heben, aber Shark Boy hielt sie fest.
    »Verdammte Scheiße!«, schrie sie. »Du hast mir ins Gesicht gestochen!« Sie sah zu Archie, ihre Augen flehten ihn an, etwas zu unternehmen. Sie wusste, dass er eine Waffe hatte. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie sich fragte, wieso zum Teufel er sie nicht benutzte.
    »Fleisch«, sagte der Maskierte und holte eine weitere Nadel hervor, »ist eher wie eine gefrorene Traube.« Er bewegte die Nadel ein Stück unter Susans Unterlippe. »Ist das etwa die Stelle, wo Gretchen deinen braven Einwanderer aufgeschnitten hat?«
    Susan hörte auf, sich zu wehren, und schloss die Augen. Ein winziges Rinnsal Blut lief ihr an Wange und Kinn hinab und verschwand im Kragen ihres weißen T-Shirts.
    Archie bot alle Ruhe auf, zu der er fähig war, und konzentrierte sich auf Susan. »Susan«, sagte er. »Sehen Sie mich an.«
    Er erwartete halbwegs, dass sie ihn ignorieren würde. Er hatte sie in diese Situation gebracht. Keine Unterstützung. Keine Dienstmarke. Und ein maskierter Wahnsinniger hatte ihr soeben eine Nadel ins Gesicht gestoßen. Vertrauen war vermutlich nicht das Gefühl, das sich im Moment so ohne Weiteres einstellte.
    Aber sie öffnete die Augen.
    Archie bemühte sich, Zuversicht auszustrahlen, ihr Mut einzuflößen. »Es wird alles gut«, sagte er.
    Sie nickte. Es war eine winzige Bewegung. Archie hatte sie sich vielleicht nur eingebildet.
    Ohne die Augen von Susan zu nehmen, fragte er den maskierten Mann: »Was willst du?«
    Archie musste Susan hier rausbringen.
    »Ich will, dass du mir einen Gefallen tust«, sagte der Maskierte.
    »Ich werde dir aber nicht beim Umzug helfen.«
    »Ich will, dass du mich schneidest.«
    Seine Worte hingen wie Staub in der Luft. Alle warteten. Archie konnte Susan atmen hören.
    Shark Boy begann, in einer Tasche herumzuwühlen, dann hörte man ein Etui aufschnappen. Archie hielt den Blick unbeirrt auf Susan gerichtet. Er schaute nicht weg. Zumindest das konnte er für sie tun. Er konnte sie ruhig halten.
    Susan sah einen Sekundenbruchteil vor Archie, was Shark Boy in der Hand hielt. Er sah die Angst in ihren Augen. Aber Archie wusste bereits, was es war. Er wusste es wegen des Wortes »schneiden«. Deshalb zeigte er keinerlei Reaktion, als Shark Boy die gehärtete Stahlklinge an Susans Kehle hielt.
    Susans Atem ging nun

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