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Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Mit Chemikalien tränken. Wozu sich all die Mühe in einem alten Kesselraum machen? Niemand würde ihn je sehen.
    Er zögerte einen Moment. Susan brauchte nicht zu hören, was er gleich sagen würde. Er sah zu ihr hinüber.
    »Na los«, flüsterte sie wieder.
    »Sie hat ihn mit Klebeband an einen Stuhl gefesselt«, sagte Archie. Er sah sich im Raum um. Nicht wegen der Leute. Er sah sich nach dem Stuhl um. Er war nicht mehr da. Irgendwer hatte so viel Anstand gehabt, wenigstens den zu entsorgen. »Einen Bürostuhl, aus einem Laden im Erdgeschoss. Er war hellblau.« Er wusste nicht, warum, aber dieses Detail war ihm immer im Gedächtnis geblieben, der puderblaue Stoff des Sessels, schon damals veraltet, wie aus dem Warteraum eines Zahnarztes. »Sie hat eine ganze Rolle Klebeband benutzt.« Sechzig Meter. Ein Kriminaltechniker hatte es gemessen. Sie hatten vierzig Minuten gebraucht, es von ihm abzuschälen, bevor er ins Leichenschauhaus transportiert werden konnte. »Hat ihn von den Knöcheln bis zum Hals verpackt wie eine Mumie.« Er warf einen Blick auf Susan. Ihr Gesicht war eine Maske professioneller Distanz. Braves Mädchen, dachte Archie. Und dann gab er sich im Geiste einen Tritt, weil er sich so herablassend benahm.
    Er hob die Hand und berührte seine Brust, spürte die dicken Narben unter dem Stoff seines Hemds. »Sie hatte seine Brust aufgeschnitten. Das tat sie immer. Aber die Schnitte waren in diesem Fall ungewöhnlich leidenschaftlich.« Er grinste Shark Boy böse an. »Das Klebeband verhinderte, dass er verblutete.« Das Mädchen war einen Schritt näher zu Shark Boy getreten und bearbeitete wieder das Piercing in ihrer Augenbraue. »Klebeband eignet sich gut dazu«, sagte er. »Unter anderem.« Shark Boy lächelte, aber es war ein aufgesetztes Lächeln, eine andere Art Maske.
    Der Mann in der Maske war vollkommen still.
    Archie musste es schlimmer machen. Viel schlimmer.
    »Dann schlitzte sie ihm das Kinn auf«, fuhr Archie fort. »Gut zwei Zentimeter unter der Unterlippe, eine fünf Zentimeter breite Öffnung.« Er ging zu dem Mädchen hinüber. Wenn er an irgendwen von ihnen herankam, dann an die Kleine. Er strich mit dem Daumen an ihrer Unterlippe entlang. Sie war stockstarr, aber sie wich auch nicht zurück.
    Sie hielt die Stellung. Archie drückte den Daumen in ihr Kinn. »Und sie zog seine Zunge durch den Schnitt.« Er ließ dieses Bild einwirken. »Und dann stieß sie Piercingnadeln durch den Teil der Zunge, der herausschaute.« Er bewegte die Hand über das Gesicht des Mädchens nach oben und klopfte an einen der Nägel, die ihre Augenbrauen durchbohrten. »Zwei Zoll lange, hohle Piercingnadeln«, sagte er. »Drei Stück. Sie ließ zwei von den Nadeln stecken, damit er seine Zunge nicht zurückziehen konnte. Und dann entfernte sie die dritte Nadel.«
    Das Mädchen wandte den Kopf ab. Nicht viel, aber es reichte, um den Kontakt mit Archies Hand zu lösen. Er sah die Hand einen Moment an, dann schloss er sie zur Faust und ließ sie sinken. Die Kleine war noch ein Kind.
    Er drehte sich zu Shark Boy und den anderen um.
    »Es gibt eine ziemlich große Ader in der Zunge, die natürlich stark blutet«, sagte er. Er hielt inne. Susans Miene war immer noch undurchdringlich, aber sie hatte die Arme fest vor der Brust verschränkt. Schwarze Schmiere tropfte aus dem rostigen Verbindungsstück eines Abwasserrohrs an der Decke.
    »Es dauerte sechzehn Stunden, bis er tot war. Er hatte fast fünf Liter Blut verloren, aber letzten Endes erstickte er. Seine Zunge schwoll an, und er bekam keine Luft mehr.« Er sah das Mädchen wieder an. Onkel Archie, der ihnen richtig schön Angst machte. »Na, amüsierst du dich noch?«, fragte er.
    Das Mädchen wich einen kleinen Schritt zurück. Es hatte eine Gänsehaut an den Armen, aber das lag vielleicht nur daran, dass es kühl war in dem Keller.
    »Wir fanden ihn vier Tage später«, fuhr Archie fort. »Er saß hier im Dunkeln, an den Stuhl gefesselt, seine Zunge sah aus wie eine Aubergine, überall Speichel und Blut.
    Merkwürdig, die Zunge aus der falschen Körperöffnung kommen zu sehen, mit den blauen Lippen, dem offenen Mund darüber.«
    »Was war mit seinen Augen?«, fragte der Mann in der Maske. Archie glaubte, ein Lächeln hinter der Maske zu bemerken, aber die Züge des Mannes waren durch den Nylonstrumpf so platt gedrückt, dass er es nicht genau sagen konnte.
    Sie hatten das Detail mit den Augen nicht öffentlich gemacht. »Sie hatte ihm eine Nadel in beide

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