Gretchen

Staub hing in der Luft. Wasser floss in Rohren an der Decke.
    Die Person, die die Tür geöffnet hatte, wich ins Dunkel zurück, in die Nähe des mächtigen, stillgelegten Heizkessels. Archie hatte fünf Schritte gezählt. Der Heizkessel war so groß wie Archies erster Wagen. Neben ihm konnte er die Umrisse von drei Personen ausmachen.
    Der Strahl einer Taschenlampe fiel in sein Gesicht. Er wandte den Kopf ab und kniff die Augen zusammen, dann zwang er sich, geradeaus, direkt ins Licht zu blicken. Susan war neben ihm, und er berührte sie leicht am Handgelenk, damit sie nahe bei ihm blieb. Er spürte die Waffe in seinem Kreuz.
    Er hatte geglaubt, Gretchen habe die Leichen im Rosengarten und beim Pittock Mansion platziert, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, aber es waren diese Leute hier gewesen. Sie wollten sie beeindrucken. Sie wollten ihr näherkommen. Sie wollten ihn benutzen. Um an sie heranzukommen.
    »Ich bin hier«, sagte er. »Und jetzt?«
    Das Licht wurde gesenkt, und ein Mann trat vor. Archie brauchte einen Moment, bis er die dunklen Punkte aus seinem Gesichtsfeld geblinzelt hatte. Der Mann war Ende zwanzig, Anfang dreißig, mit einem weichen, wild wuchernden Bart und schraubverschlussgroßen Pflöcken in den Ohrläppchen. Er sah aus, als sollte er Lebensmittel in einem Naturkostladen eintüten.
    Er lächelte Archie an und ließ dabei einen Mund voller Zähne sehen, die zu scharfen Spitzen gefeilt waren. »Wir waren uns nicht sicher, ob Sie kommen würden«, sagte er.
    Susans Finger legten sich um Archies Hand.
    Die Zähne waren gut. Die Zähne bedeuteten, sie würden herausfinden können, wer dieser Bursche war. Polizisten liebten Körpermodifikationen. Tätowierungen? Die halbe Welt hatte welche. Man konnte an der Universität von Oregon keinen Hacky Sack werfen, ohne mit dem kleinen Knautschball eine Verbindungsstudentin mit einem Schmetterling am Knöchel zu treffen. Aber wenn man seine Beißerchen zu Haifischzähnen feilte, war man etwas Besonderes. Die Leute erinnerten sich an einen.
    Archie lächelte.
    Shark Boys Miene fiel in sich zusammen. »Was ist?«, sagte er.
    »Du hast hier nicht das Sagen, oder?«, fragte Archie.
    Susan drückte seine Hand. Er sah zu ihr hinüber, und sie wies mit einem Nicken in Richtung des Heizkessels, wo eine der Gestalten vorgetreten war.
    »Der Rest des Fanclubs?«, fragte Archie.
    »Wir sind mehr ein Kollektiv«, sagte Shark Boy.
    Das Mädchen lachte.
    Archie musterte die Gestalt, die vorgetreten war, mit zusammengekniffenen Augen. Sie war hoch gewachsen, männlich, aber mehr konnte er nicht feststellen. »Jeremy?«, fragte er.
    Die Gestalt bewegte sich nicht.
    »Ich glaube nicht, dass das Jeremy ist«, sagte Susan leise.
    Archie gefiel nicht, wie sich die Sache entwickelte. Er wandte sich an das Mädchen. »Ist der Blutfleck noch da?«
    Shark Boy richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Boden in der Nähe der gegenüberliegenden Wand. »Da drüben«, sagte er.
    Archie tat, als würde er es nicht sehen. »Macht das Licht an«, sagte er. »Die Stimmung ist toll. Sehr horrorfilmartig. Aber wenn ihr das Licht anmacht, kann ich euch zeigen, was passiert ist.«
    Archie konzentrierte sich weiter auf Shark Boy und beobachtete, wie dessen Blick zu dem Mann beim Heizkessel huschte, um die Erlaubnis einzuholen. Der Mann musste genickt haben, denn Shark Boy sagte: »Okay.«
    Jemand machte das Licht an. Nichts Großartiges. Drei Glühbirnen. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, hier unten Energiesparlampen zu installieren. Vielleicht wartete man, bis die alten Birnen ausgebrannt waren.
    Archie drehte sich zum Heizkessel um. Der Mann stand immer noch dort. Er trug eine schwarze Hose, ein graues T-Shirt und einen Nylonstrumpf über dem Kopf. Er war entspannt. Seine Hände steckten in den Taschen. Hinter ihm standen zwei junge Männer in den Zwanzigern. Unmaskiert.
    »So«, sagte Archie.
    »Fang an zu reden«, sagte der Mann in der Maske.
    Archie wandte seine Aufmerksamkeit dem Blutfleck zu. Susan löste ihre Hand aus seiner. »Los«, flüsterte sie, und Archie entfernte sich einen Schritt von ihr.
    Es war sieben Jahre her, aber er war immer noch da, im Wesentlichen, wie er ihn in Erinnerung hatte: ein bademattengroßer Fleck, eine Körperlänge von der Wand entfernt. Jemand hatte liebevoll den Staub darauf entfernt.
    Sieben Jahre. Aber es war nicht einfach, Blut von Beton wegzubekommen. Man hatte schwer zu arbeiten. Sandstrahlen, Feuer einsetzen, schleifen, kratzen, scheuern.