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Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Archie legte die Stirn an die Knie und schlang die Arme um die Unterschenkel.
    Dann spürte er, wie Jeremy eine kühle Substanz in seinen Rücken rieb.
    »Antibakterielle Lösung«, sagte Jeremy. Er wischte das Blut ab und fuhr dann fort, Archies Rücken zu massieren, knetete mit den Fingern an seiner Wirbelsäule entlang nach oben, zu Nacken und Schultern und zuletzt zum Hinterkopf unter Archies Haar.
    »Hat Gretchen dich auf diese Weise berührt?«, fragte Jeremy leise.
    »Ja«, sagte Archie. »Die Schnitte, die du dem Typ mit den Zähnen gemacht hast, erinnerst du dich daran, dass Gretchen dasselbe bei Isabel getan hat?«
    »Ich habe dabei zugesehen, wie sie es getan hat«, sagte Jeremy.
    »Willst du mir erzählen, was passiert ist, Jeremy?«
    »Ja«, sagte Jeremy. »Aber erst will ich das Skalpell holen.«

_ 52 _
    Henry hätte gut und gern darauf verzichten können, die psychiatrische Station des Providence Hospital noch einmal von innen zu sehen. Er mochte nicht, wie es dort roch. Er mochte die Überwachungskameras und geschlossenen Türen nicht. Er mochte die Schwestern nicht. Und er mochte die Tatsache nicht, dass sein bester Freund zwei Monate dort verbracht hatte.
    »Hoffentlich bringt das was«, sagte Henry zu Claire. Die beiden standen mit Archies Psychologin Sarah Rosenberg im Flur und schauten in den Gesellschaftsraum, wo ein Polizeipsychiater Archies altem Zimmergenossen Frank an einem Tisch gegenübersaß. Der Psychiater vernahm alle Patienten wegen Courtenay Taggarts Tod. Das Krankenhaus gestattete nur Profis, seine Verrückten auszuquetschen.
    Henry hielt alles für großen Quatsch.
    »Frank hat keine Schwester«, sagte Rosenberg.
    Henry ließ die Mitteilung einwirken. »Mist«, sagte er.
    »Ihr Psychiater hat es in seiner Akte gesehen«, sagte Rosenberg und blickte durch das Glas auf Frank. »Niemand hat daran gedacht, es zu überprüfen.«
    Claire stand mit verschränkten Armen da. Henry sah, wie sie die Lippen vor Sorge aufeinanderpresste. Sie wussten beide, was das bedeutete.
    »Das war sie«, sagte Claire.
    Henry wandte sich an Rosenberg. »Bringen Sie mich hinein«, sagte er.
    »Er wird es nicht erlauben«, sagte Rosenberg. »Da ist er unnachgiebig.«
    Henry schaute durch das Glas auf Frank. Er saß zusammengesunken über dem Tisch, sein Patientenkittel war ihm zu weit, die weißen Schlauchsocken waren auf die Knöchel hinuntergeschoben. Er war schwach und verletzlich. Genau die Sorte Mann, die Gretchen zu ihren Opfern machte. »Lassen Sie mich mit ihm reden«, sagte Henry.
    Rosenberg sah ihn einen Moment an und nickte dann. »Ich führe Sie hinein.« Sie zögerte. »Er ist ein Patient«, sagte sie. »Wenn Sie ein Trauma bei ihm auslösen, verliere ich meine Stellung hier.«
    »Ich werde das siedende Öl nicht einsetzen«, sagte Henry.
    »Sei nett«, sagte Claire.
    »Ich bin immer nett«, sagte Henry und folgte Rosenberg in den Raum.
    Frank blickte sofort auf und winkte. »Hallo, Henry«, sagte er.
    Henry setzte ein breites, falsches Grinsen auf. »Hallo, Kumpel«, erwiderte er. Er zog sich einen Stuhl an den Tisch und setzte sich neben Frank. Rosenberg nahm neben dem Psychiater Platz. Das war gut. Es hieß Henry und Frank gegen die Doktoren. Das würde eine Allianz zwischen ihnen schmieden. Nur der freundliche alte Henry und sein Kumpel Frank gegen die große böse Ärzteschaft.
    Der Polizeipsychiater – ein Mann mittleren Alters in Polohemd und karierten Shorts – rutschte nervös auf seinem Plastiksessel umher.
    »Du hast mir gefehlt heute Vormittag«, sagte Henry zu Frank. »Ich habe es vermisst, meinen Kumpel Frank zu besuchen.«
    »Archie ist nicht mehr da«, sagte Frank.
    »Ich weiß«, sagte Henry. »Aber hey, ich kann immer noch dich besuchen, oder? Ich kann immer noch meinen Kumpel Frank besuchen.«
    Frank lächelte schüchtern. »Okay.«
    »Aber ich wette, du hast eine Menge Besucher, Frank, oder? Deine Schwester ist bestimmt die ganze Zeit hier.«
    Frank machte ein langes Gesicht.
    »Nein?«, sagte Henry.
    Frank wandte den Blick ab. »Sie hat viel zu tun«, sagte er.
    Henry legte die Hände im Schoß übereinander und lächelte. »Hast du eine Schwester, Frank?«
    Frank furchte die Stirn und schlug mit der Hand in die Luft. »Hört auf, mich das zu fragen«, sagte er.
    Henry sah, wie Rosenberg eine Hand auf den Tisch legte.
    »Wer hat es dich noch gefragt?«, sagte Henry.
    »Er«, sagte Frank und zeigte auf den Psychiater im Golfhemd. »Und Archie.«
    Henry bemühte sich, eine

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