Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
Ian? Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass du bis vor kurzem noch Ställe ausgemistet hast. Aber ich vermute, das weiß hier niemand, oder liege ich falsch?“
Entsetzt hielt sie inne. Das musste ein Albtraum sein! Aber der Baron of Darkwood marschierte geradewegs in die Waffenhalle hinein, direkt auf Ian zu. Seine Stimme war voller Hass, doch Joanna gelang es nicht, ihren Blick von ihm abzuwenden. Wie alle anderen lauschte sie seinen vernichtenden Worten.
„Es tut mir leid, wenn ich deine Lügengebäude zerstören muss, aber es ist meine Pflicht, der Kommission die Wahrheit über dich mitzuteilen. Oder hast du sie schon informiert, dass du aufgrund deiner Enterbung keinen Familiennamen mehr führen darfst? In diesem Fall nutze ich die Zeit, den Anwesenden zu erzählen, was du getan hast, bevor du in betrügerischer Art und Weise -“
„Es reicht, Lord Darkwood!“, befahl Jake mit harter Stimme. „Verlasst sofort mein Anwesen!“ Er sprang vom Tisch der Prüfungskommission auf, lief auf die Kampffläche und stellte sich neben Ian.
Doch der Baron ignorierte Jakes Aufforderung. „Oh, der Earl of Greystone. Mit Euch wollte ich auch sprechen.“ Er trat nahe an Jake und Ian heran. Seine Stimme war jetzt zu einem leisen, hässlichen Zischen geworden. „Lord Greystone, Ihr habt mir bei Eurer Abreise aus Darkwood scheinbar nicht richtig zugehört, deshalb wiederhole ich für Euch meine Worte freundlicherweise. Ihr werdet noch bereuen, Ian mitgenommen zu haben. Ich habe eine Anhörung beim König beantragt. Und wenn Seine Majestät Euch vorlädt, tätet Ihr gut daran zu wissen, was das lex patris bedeutet. Denn nichts anderes als dieses Recht habe ich damals im Burghof gemeint.“ Sein triumphierender Blick wanderte von Jake zu seinem Sohn. „Ich hoffe, du hast es bis hierhin genossen Ian, denn weiter geht deine Reise nicht.“
Und zu seinem grenzenlosen Vergnügen ließ Ian sein Schwert fallen, drehte sich um und verließ die Waffenhalle durch eine der Flügeltüren.
Der Baron lachte. „Habe ich es nicht gesagt, Lord Greystone? Er ist es absolut nicht wert.“
„Geht, Lord Darkwood, solange ich mich noch zurückhalten kann!“ Jake bedachte Ians Vater mit einem vernichtenden Blick. „Wachen! Begleitet den Baron bis zum Haupttor. Er ist in Greystone nicht willkommen.“
Lord Darkwood nickte ihm mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck zu und ging den Wachsoldaten voran aus der Halle hinaus.
Nach einem Augenblick der Stille begannen alle Anwesenden gleichzeitig zu reden. Schockiert eilte Joanna auf Jake zu. „Was hat der Baron zu euch gesagt? Wo ist Ian?“
„Das erzähle ich dir später in Ruhe.“ Es fiel ihrem Bruder sichtlich schwer, seinen Zorn zu unterdrücken. „Verehrte Gäste“, rief er laut, um das Stimmengewirr zu übertönen, „lasst uns trotz dieses Zwischenfalls zur Burg zurückgehen und dort das Mittagessen genießen.“ Er bemerkte ihren Blick zur Flügeltür und schüttelte den Kopf. „Du wirst ihn da draußen nicht finden. Und vermutlich will Ian im Moment auch alleine sein, bis er seine Fassung wieder gewonnen hat. Verdammt, wer hätte ahnen können, dass der Baron hier auftaucht …“ Jake legte ihr den Arm um die Schulter. „Schaffst du es, mit mir zu kommen?“
Sie seufzte, dann nickte sie. Je früher sich die Gäste auf den Heimweg begaben, desto eher konnten sie über den Vorfall und seine Folgen sprechen.
Das Essen, das in der großen Halle die Studenten und die Besucher erwartete, sah köstlich aus, aber Joanna hatte keinen Appetit mehr. Sie ging von einer Familie zur anderen und wünschte schöne Festtage. Doch die wenigsten gingen auf ihr unverfängliches Geplauder ein, das vorherrschende Thema war das Geschehen in der Waffenhalle. Joanna wurde mit neugierigen Fragen überhäuft, die sie alle so ausweichend wie möglich zu beantworten versuchte. Zu ihrer Erleichterung hielten sich die abfälligen Bemerkungen über Ian in Grenzen. Der einvernehmliche Tenor lautete, dass es der Baron war, der mit seinem heutigen Verhalten Schande über seine Familie gebracht hatte – und nicht sein Sohn. Diese Reaktion tröstete sie. Und auch Ian würde es sicherlich helfen, das zu hören. Schließlich hatte sie ihre Runde beendet, und die Gäste saßen in Gespräche vertieft an den langen Tafeln und genossen das Essen.
Joanna entschied, dass dies ein günstiger Zeitpunkt war, um die Halle für eine kurze Zeit zu verlassen. Vielleicht war Ian inzwischen in
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