Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
liebsten würde ich dich in diese Kutsche zerren und zurückbringen.“
„Wenn du unbedingt jemanden zerren willst, dann Jake. Es ist an ihm, den nächsten Schritt zu tun.“
Kaum hatte Galad den Satz beendet, biss sich er auf die Lippen. In seiner Erregung hatte er scheinbar mehr gesagt, als er ursprünglich wollte. Verdutzt schaute Ian ihn an. „Aber Jake war doch schon vor Wochen hier, um mit dir zu sprechen! Du wolltest ihn nicht empfangen.“
Der Kutscher schnalzte mit der Zunge und die Pferde setzten sich in Bewegung. Das Letzte was Ian sah, war Galads aschfahles Gesicht.
Mit der Auswahl seiner Reisegefährten war Ian sehr zufrieden. Es gab nur kurze Gespräche, bei denen er schreien musste, damit sie ihn verstanden, ansonsten verschlief das Ehepaar den größten Teil der Fahrt. Damit blieb er mit seinen Gedanken alleine. Eine knapp zweitägige Reise über verschneite Straßen lag vor ihm – eine Ewigkeit an Zeit, um sich mit den Ereignissen der letzten drei Wochen auseinander zu setzen.
Ian blickte aus dem Fenster und betrachtete die weiße Landschaft. Das Einzige, was ihm keine Sorgen bereitete, war das Bestehen der Nachprüfung. Das, was er am meisten fürchtete, war das Wiedersehen mit Joanna, denn das war so nie vorgesehen. Er schloss die Augen und dachte an den Morgen, als er sie verlassen hatte. Zum Abschied hatte er sie auf die Wange geküsst. Obwohl sie tief geschlafen hatte, hatte sie gelächelt. Die Erinnerung schmerzte ihn. Vor allem deshalb, weil er ihr so vieles hatte sagen wollen, was er jetzt nicht mehr konnte. In der Nacht hatte sie seine Leidenschaft genossen, aber hatte sie auch die Liebe gespürt, die jede seiner Berührungen begleitet hatte? Er konnte es nicht sagen. Sicher war, dass sie ihn körperlich anziehend fand. Das hatte sie ihm deutlich genug zu verstehen gegeben. Er vermutete, sie hatte sich auf ihn eingelassen, weil sie ihn als guten Freund sah, dem sie vertraute. Aber selbst das konnte er für sie nicht mehr sein. Zornig dachte Ian daran, wie abfällig Travis in Lionsbridge über Joanna gesprochen hatte und wie viele der Anwesenden es mitbekommen hatten. Er wollte niemals wieder miterleben, dass irgendjemand sich so schäbig über sie äußerte! Und vor allem wollte er nicht der Grund sein, dass es die Leute taten. Doch das würde unweigerlich passieren, sobald sein Stand als Ehrloser öffentlich wurde. Die Leute würden sich daran erinnern, dass er engen Umgang mit Joanna gepflegt hatte, und es würde ihren Ruf schwer beschädigen. Und das war das Letzte, was er wollte. Er hätte es nie gedacht, aber er musste Jake nun beipflichten: Das Beste, was er tun konnte, war Abstand zu halten – für immer. Er musste schlucken, als er diese Wahrheit erkannte.
Es hatte erneut zu schneien begonnen und Ian zog die Wolldecke höher. Seine Gedanken wanderten zurück zu ihrer gemeinsamen Nacht. Mit ihr zu schlafen war wundervoll gewesen, doch was ihm noch mehr gefallen hatte, war die Tatsache, ihr absolut nahe sein zu können. Sich an sie zu schmiegen und sie mit seinem Körper zu wärmen, als sie gefroren hatte. Er hatte sie in seinen Armen gehalten und es hatte sich so richtig angefühlt. Das war der Platz, wo er hingehörte: an ihre Seite! Ian ballte die Hände zu Fäusten. Er hatte es gehasst, sich am Morgen wie ein Dieb davonschleichen zu müssen. Doch nichts anderes als ein Dieb war er, denn er hatte von Joanna etwas bekommen, was er niemals hätte haben dürfen. Er nicht. Die Vorstellung, dass ein anderer Mann seine Stelle einnahm, brachte ihn fast um den Verstand. Doch so würde es sein. Einem anderen würde es vergönnt sein, mit ihr das Bett zu teilen, sie zu lieben und am nächsten Morgen neben ihr aufzuwachen. Für ihn war es vorbei, ehe es überhaupt begonnen hatte. Er konnte endgültig jede Hoffnung auf eine Zukunft mit Joanna begraben. Wenn er ehrlich war, hatten sie nie eine gehabt. Es war immer nur seine unsinnige Idee gewesen. Wie hatte das passieren können? Es lag wohl daran, dass sie so oft zusammen gewesen waren. Am Anfang hatten sie Welten getrennt. Aber nach einiger Zeit waren die Unterschiede kaum mehr aufgefallen. Sie hatte ihn freundlich behandelt – wie jeden anderen auch – und er hatte sich in seine Verliebtheit hineingesteigert, ohne nur einen Blick auf die Realität zu werfen. Er war selbst schuld, dass er jetzt litt!
Vor dem Wagenfenster zogen die schneebedeckten Wälder und Wiesen vorbei. Der Winter hatte das Land fest im Griff. Ian
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