Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
seiner Lage undenkbar. Immerhin schien sie ihn trotz seines niedrigen Ranges und seiner Vorgeschichte zu mögen und sich gerne mit ihm abzugeben. Mehr würde er nicht bekommen. Eine Verbindung mit ihr war absolut unmöglich. Er verzog den Mund. Es wunderte ihn, dass sie noch nicht verheiratet war. Auch Jake hatte scheinbar keine Hochzeitspläne. Vielleicht waren aber beide schon verlobt und sprachen nur nicht darüber.
„Brauchst du Hilfe?“
Ihre Frage riss ihn aus seinen Gedanken und erinnerte ihn an die Aufgaben, die vor ihm lagen. Widerwillig nahm er die Feder, tauchte sie in das Tintenfässchen und begann mit einer Schreibübung.
„Hast du schon nach dem Blauweizen gesehen, Ian?“, fragte Jake nach dem Mittagessen.
Ian verneinte. Vor lauter Unterricht hatte er diesen völlig vergessen.
„Schau doch jetzt gleich vorbei“, schlug Jake vor und Ian nickte. Ein kleiner Spaziergang vor der nächsten Unterrichtsstunde würde ihm gut tun.
Für den Hinweg wählte Ian die Straße. Das Feld sah gut aus, die Knechte hatten fleißig gearbeitet und das Wasser war noch rechtzeitig gekommen. Die Pflanzen würden sich wieder erholen. Auf dem Rückweg entschied er, quer durch den Wald zu gehen. Kaum umfing ihn das kühle Dunkel, merkte er, wie sehr ihm der Wald gefehlt hatte. Er lief los, sprang über Gräben und umgefallene Baumstämme und fühlte sich lebendig und wach wie lange nicht mehr. Die Müdigkeit und die Abgeschlagenheit der ersten Tage waren endgültig verschwunden. Nun wurde es dringend Zeit, die Wälder Greystones ausgiebig zu erkunden.
Beim Abendessen berichtete Ian den anderen von den Entwicklungen am Blauweizenfeld.
„Das sind erfreuliche Nachrichten“, sagte Jake. „Und ich kann gleich noch welche dazu fügen. Morgen kommt Adamo von seiner Reise zurück.“ Mit einem Blick auf Ians fragenden Gesichtsausdruck erklärte er: „Adamo of Draken House ist der Fechtmeister der Akademie und ein Freund unserer Familie. Ich werde ihn bitten, dir ebenfalls Unterricht zu erteilen. Vorausgesetzt, du bist einverstanden.“
Bereitwillig stimmte Ian zu und Joanna freute sich, welch guten Verlauf die Dinge für ihn nahmen. „Wir sollten auch die Abendstunden zum Üben nutzen“, sagte sie. „Wir könnten über politische Entwicklungen reden und -“ Sie brach ab und sah Ian entschuldigend an. „Tut mir leid, ich habe unüberlegt gesprochen. Die Idee ist blöd. Ich will dir nichts aufdrängen.“
„Nein, nein, das ist in Ordnung“, erwiderte Ian.
„Ich finde den Vorschlag gar nicht schlecht“, erklärte Galad. „Allerdings dürfen wir Ian nicht überfordern, denn wenn noch das Schwerttraining hinzukommt, hat er einen ganz schön straffen Zeitplan. Für heute Abend hätte ich übrigens etwas Unterhaltsames im Sinn.“ Sie wunderten sich über diese Andeutung, doch Galad sagte nichts mehr, bis sie vor der Bibliothek standen. „Geht schon hinein, ich bin gleich wieder da“, forderte er sie auf und verschwand im Treppenturm. Sie hatten es sich gerade in den Sesseln am Kamin gemütlich gemacht, als er zurückkam. In der Hand hielt er seine Laute. Er setzte sich ihnen gegenüber und begann zu spielen. Das Stück war wunderschön und obwohl es kompliziert zu sein schien, klang es leicht und fließend. Mit unglaublicher Schnelligkeit bewegten sich seine langen, schlanken Finger über Griffbrett und Saiten.
Auch für Ian, der wenig Ahnung von Musik hatte, war es offensichtlich, dass Galad sein Instrument meisterhaft beherrschte. Wenn er irgendwann keine Lust mehr auf sein Lehrerdasein hatte, könnte er jederzeit Musiker bei Hofe werden. Die letzten Töne verklangen, und während er, Joanna und Jake noch klatschten, stimmte Galad bereits das nächste Lied an. Der Abend verging schnell und es war spät, als sie die Bibliothek verließen.
„Wann kommt Adamo morgen an?“, erkundigte sich Joanna beim Hinausgehen bei ihrem Bruder.
„Wir können ihn zum Mittagessen erwarten.“
Joanna drehte sich zu Ian um. „Ich würde dir gerne sagen, dass du dich auf ihn freuen kannst. Aber das letzte Mal, als ich das über jemanden hier behauptet habe …“
Hinter ihr stöhnte Galad auf. „Danke, Joanna, dass du uns daran erinnerst.“
Alle lachten und verabschiedeten sich, um in ihre Zimmer zu gehen. Gut gelaunt legte sich Ian kurz darauf in sein Bett. Das Leben in Greystone begann, ihm zu gefallen.
Pünktlich zum Mittagessen traf der Fechtmeister auf der Burg ein. Er war groß und hatte die
Weitere Kostenlose Bücher