Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
durchtrainierte Figur eines langjährigen Kämpfers. In seinen schulterlangen, dunklen Haaren schimmerten viele graue Strähnen und Falten durchzogen sein freundliches Gesicht. Interessiert betrachtete er Ian und kaum hatte Jake sie einander vorgestellt, kam Adamo gleich zur Sache.
„Aha, jetzt kenne ich die gesamte Familie Darkwood“, stellte er fest, wobei seine Betonung des Wortes ‚gesamt ‘ Ian nicht entging. „Jake hat mich gebeten, dich zu unterrichten, wozu ich gerne bereit bin. Dein Bruder Ronen ist ein talentierter Kämpfer. Ich bin gespannt, welche Fähigkeiten du hast.“
„Ich besitze keinerlei kämpferische Fähigkeiten“, erwiderte Ian.
Der Fechtmeister blickte ihn mit hochgezogenen Brauen an. „Wie kannst du das wissen? Jake sagte mir, du hättest keine Fechtausbildung erhalten.“
„Das ist richtig. Ich will nur keine falschen Erwartungen wecken.“ Es war ihm lieber, für einen Anfänger gehalten zu werden, als dass sie die Wahrheit erfuhren und er ihre Erwartungen enttäuschte.
„Lass das ruhig mein Problem sein, Junge“, sagte Adamo. „Schau dir Jake an. Er ist einer der besten adligen Schwertkämpfer, die ich kenne. Das hätte zu Beginn auch niemand gedacht.“ Der Fechtmeister merkte, dass er widersprechen wollte. „Galad ist das bessere Beispiel. Er hat die ganze klassische Ausbildung durchlaufen. Trotzdem kann er kaum ein Schwert halten – entschuldige Galad, aber so ist es.“
Ian sah zu Galad. Adamos Worte schienen ihn nicht zu stören, im Gegenteil, er nahm es mit Humor und zuckte lediglich mit den Schultern.
Der Fechtmeister schaute Ian an. „Also, wie sieht es aus: Hättest du Lust, heute anzufangen?“
„Auf jeden Fall.“
„Dann komm am Nachmittag in die Waffenhalle.“
Ian betrat die Waffenhalle mit einem Kribbeln im Bauch. Neugierig sah er sich um. Der Eingang lag mittig an der Längsseite des Gebäudes, rechts und links der Tür waren stufenförmig Zuschauerplätze angeordnet. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich vier große Flügeltüren, die weit offen standen, um das Tageslicht hereinzulassen. An der kurzen rechten Seite gab es zwei weitere Türen. Die vordere führte zu einer Umkleide, die hintere zur Waffenkammer, wie er wusste.
„Zum ersten Mal hier?“
Adamos tiefe Stimme ertönte hinter ihm und er drehte sich um. „Ja. Bis jetzt kannte ich die Waffenhalle nur aus Ronens Erzählungen.“
Der Fechtmeister lächelte. „Komm mit.“ Er führte ihn in die Waffenkammer und sie gingen in eine Ecke des Raumes, um zwei hölzerne Übungsschwerter zu holen. Adamo reichte ihm noch eine gefütterte Tunika aus hellem Leinen, die ihn vor Schwerthieben schützen sollte. Während Ian die Bänder des hüftlangen Kleidungsstückes schloss, blieb er bewundernd vor den Breitschwertern stehen. Das waren definitiv keine Übungswaffen mehr.
Seine Begeisterung blieb Adamo nicht verborgen. „Gefallen sie dir? Der Kampf mit einem Breitschwert ist die Meisterklasse. Aber das dauert noch ein bisschen.“ Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sie verließen die Waffenkammer und gingen zurück in die Halle. Das Training begann und Ian erwies sich als geschickter und lernwilliger Schüler, sodass der Fechtmeister schnell in seinen Lektionen voranschreiten konnte.
Als Ian später die Waffenhalle verließ, war er erschöpft. Es hatte ihn viel Kraft und Konzentration gekostet, Adamos Anweisungen genau auszuführen und die Bewegungen richtig nachzuahmen. Doch er wollte den Schwertkampf unbedingt richtig erlernen und das bedeutete, seine früheren Kampftechniken möglichst schnell zu vergessen. Zwar wussten alle, dass er wie ein Bauer gelebt hatte, aber er musste ihnen nicht zeigen, dass er auch wie ein solcher kämpfte – das ließ sein Stolz einfach nicht zu.
In den nächsten Tagen stellte sich heraus, dass Galads Vorhersage über den Umfang von Ians Unterricht richtig gewesen war. Er war auf ein enormes Pensum angewachsen, das ihm kaum noch freie Zeit ließ. Morgens fand der Unterricht bei Galad statt, danach das Fechttraining bei Adamo. Bis zum Mittagessen erledigte er die schriftlichen Aufgaben, meist bei Joanna in der Apotheke. Wenn er fertig war, half er ihr beim Schneiden der Kräuter oder beim Mischen von Rezepturen. Am Nachmittag wiederholte sich der Ablauf. Seinen Vorsatz, die Wälder Greystones zu erforschen, konnte er nur dann verwirklichen, wenn einer seiner beiden Lehrer keine Zeit hatte.
Besonders gut gefielen Ian die Abendstunden
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