Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
Laurentin bei Joanna vorbei. „Guten Abend, Lady Joanna. Was macht Ihr denn hier?“
„Ich habe euch beim Üben beobachtet. Es sieht gut aus.“
„Danke! Wir machen große Fortschritte, das hätte ich selbst nie gedacht.“ Er betrachtete Ian nachdenklich. „Es wundert mich, dass Ian kein eigenes Schwert besitzt. Wenn jemand eine gute Waffe zu schätzen wüsste, dann doch er.“ Er nickte ihr zu und verließ die Halle.
Joanna konnte Laurentin nur beipflichten. Ian hätte wirklich ein eigenes Schwert verdient, das genau auf seine Statur und seine Fähigkeiten abgestimmt war. Normalerweise bekamen die jungen Männer eines nach Beendigung der Schulzeit geschenkt. Ian benutzte ein altes, einigermaßen passendes Schwert aus der Waffenkammer. Das sollte man schleunigst ändern, beschloss sie.
Nach Trainingsende trat Ian erschöpft und verschwitzt zu Joanna an die Tribüne, und sie nutzte seine Atemlosigkeit gleich aus. „Ich weiß, du hörst es nicht gerne, aber ist das nicht ein bisschen viel Training für dich?“
„Wieso wusste ich, dass du so etwas sagen würdest?“
„Weil ich dich schon einmal aufgepäppelt habe und keine Lust verspüre, es ein zweites Mal zu tun.“ Betont streng schaute sie ihn an.
Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß aus der Stirn. „Morgen habe ich den ganzen Tag frei, um mich zu erholen.“
„Nein, hast du nicht. Da du scheinbar nicht mehr aus dieser Halle rauskommst, wundert es mich nicht, dass du überhaupt nichts mehr mitbekommst“, erwiderte sie. „Morgen holen wir alle zusammen endlich die Pferde von der Sommerweide zurück und am Montag beginnt dann der Reitunterricht für euch.“
Dass Ian bei dieser Nachricht blass wurde, bemerkte Joanna vor lauter Begeisterung nicht.
Galad war in die Burg gegangen, um Jake zu suchen. Er fand ihn in der Bibliothek am Schreibtisch. Vor seinem Freund türmten sich Stapel mit Briefen. „Kann ich dich kurz stören?“
Jake schaute von dem Schreiben auf, das er las. „Natürlich, setz dich.“
„Wie weit bist du bei der Suche nach einem neuen Fechtmeister?“, fragte Galad und nahm auf dem Lehnstuhl vor dem Schreibtisch Platz.
„Bis jetzt war ich noch nicht erfolgreich. Ich hatte jemanden im Sinn, allerdings habe ich erfahren, dass er sich außerhalb des Landes aufhält. Von daher muss ich wieder von vorne anfangen.“ Jake legte den Brief aus der Hand. „Wieso fragst du? Ist dir jemand eingefallen?“ Hoffnung leuchtete in seinen Augen.
„Ja, gerade eben. Deshalb bin ich gekommen. Ich glaube, Ian wäre der richtige Fechtmeister für Greystone.“
„Wie bitte?“ Jake verzog das Gesicht. „Das ist nicht dein Ernst. Die Idee ist absurd!“
Galad ließ sich von Jakes Reaktion nicht beirren. „Hast du dir jemals die Mühe gemacht, Ian zuzuschauen, wenn er Laurentin und seine Freunde unterrichtet? Er macht das vortrefflich, und mittlerweile fragen ihn sogar die besseren Studenten nach Unterweisung. Er hat viele ungewöhnliche Ansätze, die alle erfolgsversprechend klingen.“
„Oh Galad, nur weil er den Einfall hatte, dir einen alten Degen in die Hand zu drücken, heißt das noch lange nicht, dass er ein guter Fechtmeister ist.“
„Aber es sind neue Wege, die eingefahrene Traditionen aufbrechen können. Und genau das ist doch der Grundgedanke der Akademie, oder etwa nicht?“
„Ian ist viel zu jung für so ein wichtiges Amt.“
„Das ist kein Argument, wir beide sind auch nur zwei Jahre älter. Und echte Kampferfahrung besitzt Ian durch das Tagelöhnerhaus mehr als genug.“
„Es bleibt dabei“, antwortete Jake gereizt. „Ian zum Fechtmeister zu machen ist schlichtweg unmöglich.“
Galad erkannte, dass es an diesem Abend keinen Sinn mehr machte, weiter mit Jake zu reden, sonst würde es womöglich noch im Streit enden. „Belassen wir es dabei“, sagte er und erhob sich. „Ich bitte dich trotzdem, dir einmal die Zeit zu nehmen, Ian beim Unterrichten zu beobachten.“
Jake nickte stumm und nahm den Brief, den er bei Galads Eintreten gelesen hatte, wieder in die Hand. Galad verließ die Bibliothek. Sein Freund hatte weitaus heftiger auf den Vorschlag reagiert, als er erwartet hatte. Das gefiel ihm nicht, denn es bestärkte sein Gefühl, dass Jake Ian nicht mehr so wohlgesonnen war wie am Anfang.
Der Sonntag versprach ein wunderschöner Spätsommertag zu werden. Der Himmel war strahlend blau, die Luft frisch und klar. Joanna saß mit Galad, Jake und dem Rittmeister in einer offenen Kutsche
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