Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
schlagartig aus ihren Träumen zurück. „Wir üben hier, damit du dich im Ernstfall verteidigen kannst. Wenn ein Mann so auf dir sitzt wie ich, dann will er weder dein Geld noch deinen Schmuck, sondern etwas ganz anderes. Also schenk meinen Worten bitte mehr Aufmerksamkeit.“ Vorwurfsvoll sah er sie an.
„Tut mir leid“, antwortete sie schuldbewusst.
Sein Blick wurde milder. „Wenn du müde bist, machen wir eine Pause.“
„Nein, keinesfalls. Bitte erkläre es mir nochmal.“
„Gut. Im Moment nutze ich meine ganze Kraft, um dich auf den Boden zu drücken. Du musst mich aus dem Gleichgewicht bringen. Deine Arme kannst du nicht hochheben, weil ich sie mit meinen Händen festhalte. Wenn du sie aber ruckartig neben deinen Kopf ziehst, muss ich mit dem Oberkörper mitgehen und meine Haltung verliert an Stabilität. Das ist der Moment, in dem du deine Hüfte drehen musst, sodass ich ins Rutschen komme. Liege ich dann seitlich neben dir, trittst du mir mit deinem Knie – na, du weißt schon wohin.“ Er grinste. „Wir probieren das jetzt ganz langsam.“
„Arme – Hüfte – Knie“, wiederholte Joanna, um ihm zu beweisen, dass sie aufgepasst hatte.
„Bitte das mit dem Knie nur andeuten. Sonst kommen wir über einmal Üben heute nicht hinaus.“ Er zählte bis drei und sie begannen.
Obwohl Joanna es nicht für möglich gehalten hatte, gelang es ihr, sich aus Ians Griff zu lösen. Kaum lag er unten, setzte er sich wieder auf sie.
„Das hast du sehr gut gemacht“, lobte er. „Probieren wir es -“
In diesem Moment wurde die Tür des Kräuterhauses aufgerissen. „Joanna!“ Jakes Stimme dröhnte durch den Raum.
Sie fuhr zusammen. „Ich habe vergessen zuzuschließen.“ Entsetzt sah sie Ian an.
„Keine Sorge, wir erklären es ihm.“ Er stieg von ihr herab, reichte ihr die Hand und half ihr aufzustehen.
Mit wutentbranntem Gesicht kam Jake bei ihnen an. „Nimm sofort deine Finger von ihr!“
„Es ist nicht das, wonach es aussieht, Jake“, sagte Ian beschwörend. „Glaub mir, wir haben nur -“ Er konnte seinen Satz nicht beenden, denn Jakes Faust traf ihn an der Schläfe.
„Ich hatte dich gewarnt!“
Ian stöhnte, taumelte und fiel auf den Steinboden, wo er bewegungslos liegen blieb.
Joanna schrie auf und wollte zu ihm gehen, doch Jake trat ihr in den Weg und packte sie am Oberarm. „Lass mich zu ihm, du … du …“ Tränen schossen ihr in die Augen, aber ihr Bruder hielt sie unerbittlich fest.
„Wachen, bringt Lady Joanna in ihr Zimmer und seht zu, dass sie zur Abwechslung dort auch bleibt.“
„Was ist mit Ian? Du kannst ihn nicht so liegen lassen.“ Sie hörte selbst, wie hysterisch ihre Stimme klang.
„Richtig“, bemerkte Jake kalt. „Fesselt ihn!“, befahl er den anderen beiden Soldaten. „Ich gehe bei ihm kein Risiko mehr ein.“
Joanna verlor die Beherrschung. „Du bist völlig von Sinnen, Jake! Ich schäme mich für dich. Er braucht Hilfe!“
„Du gehst sofort in die Burg, bevor ich mich wirklich vergesse!“, fuhr er sie an. „Ich war krank vor Sorge, als ich dein Zimmer bei meiner Rückkehr leer vorfand, nur um festzustellen, dass du dich hinter meinem Rücken mit ihm vergnügst. Die Einzige, die sich schämen muss, bist du! Ich versuche nur zu retten, was von deinem Ruf noch zu retten ist.“
„Du weißt überhaupt nicht, was wir hier gemacht haben!“, rief sie. „Aber anstatt Ian zuzuhören, schlägst du gleich zu.“
Mit eisigem Blick sah er sie an. „Ich will dich heute Abend nicht mehr sehen, und wage es bloß nicht, seinen Namen in meiner Gegenwart noch einmal zu erwähnen.“ Er nickte den beiden Wachen zu und sie traten neben sie.
Für einen Moment überlegte Joanna, sich zu widersetzen. Aber das würde alles nur noch schlimmer machen, auch für Ian. So warf sie ihm einen letzten Blick zu, bevor sie das Kräuterhaus verließ. Seine Augen waren geschlossen, doch sein Brustkorb hob und senkte sich.
In ihrem Zimmer angekommen, ballte Joanna die Fäuste. Sie war hin und hergerissen zwischen dem Zorn auf ihren Bruder und der Sorge um Ian. Er hatte sich bei seinem Sturz nicht abfangen können und war mit dem Kopf aufgeschlagen. Sie hatte nicht sehen können, ob er eine Platzwunde hatte, wobei das vermutlich die geringste Verletzung war, die er davontragen würde. Entschlossen ging sie zum Fenster und schaute hinunter. Mittlerweile war sie verzweifelt genug, um alleine hinauszuklettern. Doch da entdeckte sie in der Nähe des Efeus einen
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