Greywalker
schlucken, ehe ich antworten konnte. »Cameron Shadley hat mich geschickt. Ich heiße Harper Blaine.«
Sie schien sich ein Lachen zu verkneifen – ein Geräusch, das ich lieber nicht hören wollte. »Ja, ich weiß. Rauchen Sie?«, schnurrte sie wie eine Raubkatze und griff nach einer altmodischen Zigarettendose, die auf dem Tisch lag. »Ach, nein. Selbstverständlich rauchen Sie nicht. Sie gehören zu diesen leckeren gesunden Menschen.« Mit ihren langen gepflegten Fingernägeln zog sie eine Zigarette hervor und steckte sie sich mit einer Laszivität zwischen die Lippen, auf die eine Filmdiva der dreißiger Jahre neidisch gewesen wäre. Alice hätte sie zudem mit ihrer eigenen Hitze entzünden können. Stattdessen benutzte sie ein flaches goldenes Feuerzeug und ließ dann den Rauch langsam aus ihrem Mund entweichen. Der Dunst bildete einen blauen Schleier zwischen uns. »Was kann ich Camerons Meinung nach für Sie tun?«
»Wissen Sie von seinen Schwierigkeiten mit Edward?«
»Natürlich.«
»Ich glaube, er hofft, dass Sie ihm eine Art Zugang verschaffen könnten.«
Sie lachte leise, und ich spürte einen scharfen Schmerz in der Magengrube. »Wie köstlich«, murmelte sie und entblößte ihre Zähne. Sie schienen sehr feucht und extrem scharf zu sein. »Sagen Sie – wie gut kennen Sie Cameron?«
»Wieso? Ist es Ihnen unangenehm, mit Freunden von Cameron an einem Tisch zu sitzen?«, entgegnete ich. »Er ist mein Klient, und ich erkenne einen Vampir, wenn er vor mir sitzt.« Ich starrte sie an und weigerte mich, den Blick abzuwenden, obwohl mich der ihre wie ein Schwert durchfuhr. Am liebsten hätte ich aufgeschrien oder mich übergeben – egal was! Sie sollte nur aufhören, mich anzusehen. Aber ich biss die Zähne zusammen und hielt durch.
Alice spielte mit ihrer Zigarette. »Welch interessante Möglichkeit Sie doch darstellen, Miss Blaine. Ich frage mich, ob Sie sich dessen bewusst sind.«
»Das nehme ich schon an, da ich weiß, dass Sie mein Rückgrat wie ein Streichholz brechen könnten, bevor ich überhauptrealisieren kann, dass Sie sich bewegt haben. Möchten Sie mir den Hals umdrehen oder uns doch lieber helfen, Miss Liddell?«
Sie blies mir eine Rauchwolke ins Gesicht und stützte ihr spitzes Kinn in die Hand. »Oh, ich möchte selbstverständlich helfen, das können Sie mir glauben. Cameron ist ein … süßer Junge.« Sie schmunzelte, lehnte sich zurück und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. »Aber was denkt er denn, dass ich für Sie tun kann?«
»Cameron durchlebt momentan eine schwierige Zeit der … der Umstellung. Er hat mich engagiert, um eine Art Aussöhnung mit Edward zu erreichen, damit er die Lehre durchlaufen kann, die ihm eigentlich zusteht. Er ist der Ansicht, Sie wären ihm wohlgesonnen.«
»Mein Mitgefühl für diesen jungen Mann hat seinen Preis. Was bieten Sie mir als Gegenleistung?«
»Das hängt davon ab, wie Ihre Hilfe aussieht. Wenn Sie Informationen oder einen guten Vorschlag hätten, der mir weiterhilft, könnte ich Ihnen meinerseits behilflich sein. Also?«
»Töten Sie ihn.«
»Edward?«
»Wen sonst?«
»Ist das ein Vorschlag oder ein persönliches Anliegen?«
»Sowohl als auch.« Sie beugte sich zu mir und versuchte, mich mit ihrem Blick einzufangen. »Edward hat in Seattle lange genug das Sagen gehabt. Seine Zähne werden allmählich lang, er fängt an, Fehler zu machen. Nehmen Sie zum Beispiel Cameron. Und er weiß noch nicht einmal über Sie Bescheid. Was ist das für ein Anführer, der nicht in der Lage ist, uns vor einem Jungen und seiner …« Sie musterte mich erneut von Kopf bis Fuß und fuhr sich lasziv mit der Zunge über die Lippen. »… seiner höchst interessanten Bekannten zu schützen?«
Als ich in ihre Augen blickte, hatte ich das Gefühl, etwas Widerliches kröche mir über die Haut.
Ein Hauch von einem bösartigen Lächeln umspielte ihr Gesicht. »Es ist an der Zeit, dass ein Jüngerer als Edward an die Macht kommt. Jemand, der vielleicht sogar etwas Mitgefühl für einen jungen Mann in einer schwierigen Situation zeigt. Jemand mit schärferen Zähnen.« Langsam schloss sie ihre Lippen über den nadelspitzen Fangzähnen.
Ich beugte mich vor, obwohl meine Atmung inzwischen flach und gepresst war. »Sie hassen ihn.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Hassen? Oh ja«, zischte sie voller Leidenschaft. »Mit jedem Tropfen meines geliehenen Blutes. Es wäre so einfach für Sie, ihn bei Tageslicht anzugreifen, wenn er am schwächsten ist. Sie
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