Greywalker
ich bin ein Vampir – daran lässt sich nicht rütteln. Ich kann mich nicht zurückverwandeln. Ich muss damit leben – und zwar auf ewig«, fügte er hinzu und lachte.
Seine Mutter schnitt eine Grimasse.
»Komm schon, Mom, das war ein Witz.«
Sie murmelte etwas Unverständliches.
»Mom, glaubst du, du kannst damit leben?«
Colleen fing an, mit ihrem Glas zu spielen. »Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Du bist mein Sohn. Ich kann nicht so tun, als ob du nicht existierst. Ich kann nicht … Ich könnte nicht … Ich könnte dir niemals etwas antun. Aber geht es dir eigentlich gut dabei?«
»So gut, wie es die Umstände erlauben. Jetzt geht es mir auf jeden Fall besser, seitdem du eingeweiht bist. Harper und ich versuchen, die restlichen Probleme zu lösen. Ich habe nämlich einen Plan – so, wie du das immer wolltest. Es wird alles gut werden, Mom. Aber ich könnte deine Hilfe gebrauchen.«
»Meine Hilfe? Was kann ich denn tun?« Sie klang plötzlich jünger als ihr Sohn.
»Wir müssen die Bedingungen des Treuhandfonds ändern, denn tagsüber kann ich nicht mehr zur Uni. Außerdem muss ich mir eine neue Wohnung suchen. Mein Auto ist zwar schön und gut, aber mit der Zeit wird es im Kofferraum doch etwas unbequem.«
Ein unsicheres Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Da finden wir sicherlich eine Lösung. Ach, Cameron, warum konntest du nicht in normale Schwierigkeiten geraten – so wie andere junge Leute in deinem Alter?«
»Du weißt doch, ich wollte schon immer etwas Besonderes sein.«
Wir verbrachten eine weitere Stunde zusammen und besprachen verschiedene Einzelheiten – unter anderem meine Rechnung. Als ich mich endlich auf den Weg nach Hause machte, war ich so müde, dass ich Cameron fast um seinen gemütlichen Schlafplatz im Kofferraum beneidete. Ich schleppte mich mit letzter Kraft die Treppe hinauf.
Als ich am nächsten Tag aufwachte, läuteten die Glocken der katholischen Kirche nebenan bereits zu Mittag. Ich beeilte mich, in mein Büro zu kommen.
Zuerst rief ich Lenore Fabrette an, um ihr mitzuteilen, dass ich sie für ihre Informationen bezahlen konnte. Sie erklärte mir, dass sie alles gefunden hatte, was ich haben wollte und es mir am Donnerstag wie vereinbart bringen würde.
Nachdem ich aufgelegt hatte, blätterte ich noch einmal meine Unterlagen zu TPM durch. Vielleicht hatte ich ja etwas übersehen. Danach nahm ich die gerade eingetroffenen Faxe zu diesem Thema genau unter die Lupe. Das meiste war jedoch in derartigem Juristenkauderwelsch verfasst, dass ich es in aller Ruhe würde durchackern müssen, um überhaupt etwas zu verstehen. Also legte ich den Stapel beiseite und widmete mich stattdessen weiteren Telefonaten. Das hielt mich beschäftigt, bis ich mich am Abend mit einer Freundin zum Essen traf. Ich wollte keine Sekunde Normalität verpassen, bevor ich in die Nacht und die Welt der Vampire abtauchte.
Obwohl es bereits Viertel vor elf war, schien die Vampir-Gemeinde gerade erst wach zu werden. Ich brauchte bis Mitternacht, ehe ich endlich Alice in einer Hotellounge in der Innenstadt aufspürte.
Der Türsteher zeigte sie mir. Es handelte sich um eine kleine zierliche Frau mit dunkelroten Haaren und demselben verschleierten Blick wie Cameron. Sie saß an einem Tisch in einer Ecke, von wo aus sie den ganzen Raum im Blick hatte. Ich ging um die Tanzfläche herum zu ihr rüber.
»Hi«, sagte ich. »Sind Sie Alice Liddell?«
Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Im Augenblick schon.« Sie verzog einen Mundwinkel zu einem Lächeln und bedeutete mir, Platz zu nehmen. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, und ich blieb erst einmal stehen. »Warum setzen Sie sich nicht?«, fragte sie. Meine Knie wollten nicht so recht, als ich mich schließlich ihr gegenüber niederließ.
Die stille, amüsiert wirkende Art, in der sie mich musterte, jagte mir Messerstiche aus eiskaltem Feuer über die Wirbelsäule. Ich brauchte sie gar nicht erst durch das Grau anzusehen, um zu wissen, dass alles Licht um sie herum verschluckt zu werden schien und ihr bleiches Gesicht von einem dunkelroten Strahlenkranz umgeben war. Ich zwang mich dazu, das Zittern zu unterdrücken und stattdessen ihren durchdringenden Blick zu erwidern. Mein Magen krampfte sich zusammen. Anscheinend trugen Vampire die Wirkung des Grau stets mit sich. Dagegen war ich machtlos.
Ihre Stimme klang eiskalt und gleichzeitig samtweich und drang bis in mein Innerstes. »Wieso möchten Sie mich sprechen?«
Ich musste
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