Greywalker
wir nicht Camerons Privatsphäre verletzen. Aber weder meine Professionalität noch meine ethischen Vorstellungen erlauben es mir, weiter zu gehen.«
Sie sah mich scharf an, wusste aber genau, dass ich mich völlig korrekt verhielt und sie mir nichts anhängen konnte. »Gut. Schicken Sie mir also Ihre Rechnung. Sie können dann jetzt gehen.«
Cameron zitterte vor Nervosität. Sein ständiges Flimmern machte mich ganz irre. »Ich möchte aber, dass sie noch bleibt, Mom. Es tut mir wirklich leid, dass ich versucht habe, vor meinem Problem davonzulaufen, und dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe. Aber ich wusste, dass es dir nicht leicht fallen würde, das hier zu akzeptieren. Ich finde es selbst ziemlich schwer und hoffe eigentlich, dass du Verständnis für mich zeigst, anstatt mich zu beschimpfen.«
»Dich beschimpfen? Du klingst schon genauso wie deine Schwester. Ihr geht wohl davon aus, dass ihr nur genügend jammern müsst, damit ich euch mit Samthandschuhen anfasse.«
»Ich will nicht jammern. Ich versuche nur, dir meine Situation zu erklären«, entgegnete er und gestikulierte dabei so heftig mit den Armen, dass er mir beinahe eine Ohrfeige verpasste. Ich rührte mich nicht von der Stelle.
Colleen wirkte wenig beeindruckt. »Ich würde eher sagen, dass du mir etwas verheimlichst und mich anlügst. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr du mich enttäuscht hast.«
»Du wirst es vielleicht nicht glauben, Mom, aber das kann ich mir durchaus vorstellen. Ich stecke tief im Dreck.
Ich habe einige wirklich blöde Sachen gemacht und bin selbst enttäuscht von mir. Aber all das ändert nichts an der Situation, in der ich mich befinde. Ich bin immer noch … immer noch, was ich bin«, schloss er und ließ resigniert die Hände sinken.
»Ein Vampir? Cameron, das ist doch grotesk!«
»Lächle, Cameron«, schlug ich vor.
Er rollte mit den Augen und schnitt eine Grimasse. Dabei zog er die Lippen nach oben und entblößte seine scharfen, funkelnden Eckzähne. Colleen zuckte erschrocken zurück und starrte sie an.
»Andrew Cameron! Hör sofort damit auf. Wer hat dich dazu überredet, deine schönen Zähne derart zu verunstalten?«
»Sie sind nicht verunstaltet, Mom«, widersprach er. »Sie gehören zur Ausstattung – sozusagen. So wie das hier.« Er fing an zu flimmern und verschwand dann im Grau. Diesmal hatte ich kein Problem, ihn im Auge zu behalten, und lächelte.
Colleen aber achtete nicht auf mich, sondern sprang entsetzt auf. »Cameron! Cameron! Hör auf! Hör sofort auf damit!«, schrie sie, bevor sie sich vorwurfsvoll zu mir umdrehte.
Ich schüttelte mit steinerner Miene den Kopf. »Das ist kein Zaubertrick.«
Sie streckte die Hand aus und fuchtelte in der Luft herum, bis sie ihren Sohn an der Schulter traf.
»Au!«, winselte er und flimmerte erneut, bis er wieder sichtbar wurde.
Sie packte ihn mit beiden Händen und sank vor ihm auf die Knie. Fast schien es so, als wollte sie seine Oberarme nie wieder loslassen.
»Was hast du da eben gemacht? Wo bist du hin verschwunden?«, wollte sie wissen.
»Ich war hier, Mom. Du konntest mich nur nicht sehen. Ich weiß auch nicht wie es funktioniert. Ich konzentriere mich einfach nur darauf zu verschwinden, und dann geschieht es.« Er versuchte mit den Schultern zu zucken, aber ihr Griff erlaubte es ihm nicht. »Wie gesagt, es ist Teil der Ausstattung.«
»Kannst du das auch, während deine Mutter dich festhält?«, erkundigte ich mich – halb neugierig und halb hoffend, dass Colleen es so begreifen würde.
»Ich kann es ja mal versuchen.« Er flimmerte zurück ins Grau, während Colleen ihn umklammerte, als ob ihr Leben daran hinge.
Sie heulte verzweifelt auf und ließ sich auf den Boden sinken. »Cameron!«
Er wurde schlagartig wieder sichtbar. »Ich bin immer noch hier, Mom.«
»Oh, mein Gott.« Sie schnappte nach Luft und schlug die Hände vor das Gesicht. Ohne auf ihr Make-up zu achten, rieb sie sich Wangen und Schläfen und fuhr sich durch die Haare. »Mein Gott, mein Gott.« Sie sackte zusammen und brach in Tränen aus.
»Mom! Mom, es ist nicht so schlimm. Ich werde dir bestimmt nicht weh tun oder irgendsowas.« Er kniete sich neben sie auf den Teppich und umarmte sie. »Mom! Beruhige dich doch!«
Sie schluchzte laut auf und presste den Kopf gegen die Brust ihres Sohnes. Er schaukelte sie sanft hin und her und versuchte, sie zu beschwichtigen. Ich stand auf und sah mich um.
»Wo ist die Küche?«, fragte ich leise.
»Durch diese Tür
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