Greywalker
war winzig klein und vom Boden bis zur Decke mit CD-Regalen vollgestopft. Es gab nur eine Tür. Auf einem selbstgebastelten Ständer in einer Ecke waren drei verschiedenfarbige Glühbirnen angebracht: rot, blau und gelb. Sie leuchteten immer abwechselnd. Ein schmaler Streifen weißen Lichts erhellte sein hufeisenförmiges Mischpult, das mit unzähligen Reglern, Schaltern und Skalen sowie einem Keyboard und verschiedenen Monitoren ausgestattet war. Auf einem Monitor lief gerade tonlos eine alte Episode von Verschollen zwischen fremden Welten. Einige Skalen und LED-Lampen leuchteten auf und übermittelten Informationen, die nur für Eingeweihte zu verstehen waren. Jeder Schatten in der Kabine schien lebendig zu sein.
»Schließen Sie doch bitte die Tür, Schätzchen«, forderte Wygan mich auf und betätigte einige Schalter. »Was nützt eine schalldichte Kabine, wenn die Tür offen steht?«
Ich tat also, worum er mich gebeten hatte, und blieb dann stehen. Ich versuchte, mich dagegen zu wehren, aber die unheimliche Welt grauer Nebel drängte umso stärker auf mich ein, je näher ich ihm kam.
»Setzen Sie sich doch.« Er grinste mich an und entblößte dabei ein gelbes, ungepflegtes Gebiss mit langen Eckzähnen. Sein Lächeln erinnerte an eine Streitaxt, die mich mit aller Kraft traf und mich ins Wanken brachte. Ich ließ mich auf den einzigen leeren Stuhl fallen und bemerkte dabei, dass sich die Schatten verdichteten und wie flüssiger Teer aus den Ecken des Raumes quollen. Sie verbreiteten den Gestank von Alter und Verwesung. Es war ein Teil der stinkenden, eiskalten Dunkelheit, in die ich gefallen war, als ich Cameron berührt hatte. Mein Magen drehte sich und versuchte, sich um meine Wirbelsäule zu wickeln. Ein leichter Widerschein von Blau und Rot umgab Wygans Kopf.
Er legte ihn schief, wodurch er an einen hungrigen Velociraptor erinnerte. »Alice hat Sie also wegen Cameron zu mir geschickt?« Er schnaubte ungläubig. »Jetzt erzählen Sie mal, was Sie wirklich hier wollen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht so, wie ich erwartet hatte«, gab ich zu und schluckte meine Übelkeit hinunter. Seine Nähe allein reichte, um meine sämtlichen Sinne -normal oder auch nicht – in Alarmbereitschaft zu versetzen. Carlos war im Vergleich zu Wygan ein Teddybär.
»Sie sprechen wohl von meiner charmanten und feinsinnigen Radiopersönlichkeit«, meinte er leichthin und jagte mir damit Hunderte von kleinen Nadeln durch den Körper. »Einen Augenblick – der Titel ist gleich vorbei.«
Er hob einen Finger und drehte sich um 450 Grad, um sich seiner Konsole zuzuwenden. Seine weißen Hände bearbeiteten das Mischpult wie Albinospinnen, während ein rotes LED-Display Ziffern herunterzählte. Dann legte er einen Schalter um, schob einen Regler nach unten und lehnte sich zum Mikrofon. »Und jetzt ein kleines Geschenk von mir an euch – ein ganzes Album, ein Klassiker von Pink Floyd … Das einzige, das beste, das wahnsinnige Dark Side of the Moon!« Er schaltete das Mikro ab und machte es sich wieder in seinem Sessel gemütlich. Die Kabine schien bei jeder Bewegung von ihm zu schaukeln und zu schwanken.
Er kippte mit dem Sessel einige Male nach hinten, ehe er sich wieder mir zuwandte. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Alice hat Sie geschickt. Wegen Cameron.« Jede seiner Bewegungen hinterließ einen Hauch von Dunkelheit. Er schürzte die Lippen und hob amüsiert die Augenbrauen. »Und? Was ist los mit Cameron?«
Ich konnte kaum den Mund öffnen. »Er hat mich engagiert, und ich versuche etwas gegen einen Vampir namens Edward in die Hand zu bekommen.«
Sein Gesicht zuckte. »Edward Kammerling«, flüsterte er. »Ja …« Das Grau pulsierte um ihn herum, weiße Blitze durchzuckten seine Aura und brachten den Raum zwischen uns zum Zittern.
Eine plötzliche Kälte fuhr mir in die Knochen. »Sie mögen ihn nicht.«
Er blickte mich aus Schlangenaugen an. »Ich will ihn in der Hölle schmoren sehen … aber alles zu seiner Zeit. Und wenn ich gerade besonders gut gelaunt sein sollte, muss er vielleicht noch nicht einmal die Glieder fressen, die ich ihm vorher persönlich abhacken werde.« Er musterte mich mit unheilvoller Miene. Ich hatte das Gefühl, ein Sperling zu sein, der gleich von einem gewaltigen Kater verschlungen würde. »Die anderen sind unbedeutendes Ungeziefer – alle außer Ihnen.«
»Was?«, stotterte ich. Die Anstrengung, dieses Wort herauszubringen, verkrampfte meinen Magen noch mehr und
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