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Greywalker

Greywalker

Titel: Greywalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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mich unter den Armen. »Harper!«
    Der Fangarm griff nach mir und legte sich wie eine Stahlfaust um mein Inneres. Ich würgte noch immer. »Schaff mich hier raus«, keuchte ich.
    Will hob mich hoch und rannte mit mir aus dem Zimmer. Er hielt erst an, als er mich vor das Haus getragen hatte, wo er mich vorsichtig auf den Boden stellte.
    »Wie geht es dir? Ist dir schlecht? Ich hole ein Glas Wasser oder vielleicht besser einen Arzt …«
    Ich fiel mit der Eleganz eines Sandsacks auf die Eingangsstufen. »Nein, danke, es geht schon wieder. Ich … Ich brauche nur ein bisschen frische Luft. Du kannst gerne wieder reingehen. Es wird schon.« Ich konnte dieses höllische Ding kein weiteres Mal ertragen. Es hatte problemlos meine ganzen Kräfte aufgesogen.
    »Bist du dir sicher? Wir können auch gehen, wenn dir das lieber ist.«
    »Nein. Es ist wichtig, dass ich so viel wie möglich über dieses Harmonium in Erfahrung bringe.«
    Will seufzte. »Na gut. Aber du bleibst hier, bis ich wiederkomme. Verstanden?«
    »Ja, klar.«
    Er warf mir noch einen besorgten Blick zu, bevor er wieder im dunklen Haus verschwand. Ich saß eine Weile keuchend da und meinte dann, im Grau etwas schreien zu hören. Als es aufhörte, fühlte ich mich mit einem Schlag besser. Ich stand wacklig auf, ging die Stufen hinab und begann das Haus zu umrunden.
    Ich sah nach oben, aber die Fenster, hinter denen sich das Harmonium verbarg, waren dunkel. Weder gaben sie Licht ab noch ließen sie es durch. Das Haus, das mir am Samstag noch pittoresk erschienen war, glich nun eher einem Gebäude aus einem Horrorfilm. Sein Gemäuer war mit Adern aus Feuer und sich windenden Ranken des Grau überwachsen. Ich spürte für einen Moment, wie etwas über meine Knochen schabte. Dann warf ich innerlich eine Tür zu, um diese immer wiederkehrenden Visionen auszusperren, und eilte zum Hauseingang, um mich dort wieder hinzusetzen.
    Als Will wieder auftauchte, ging es mir besser. Er lächelte und plauderte mit der Kuratorin, die ihn bis vor die Eingangstür begleitete und dann auf der Schwelle stehen blieb.
    Ich sah ihn fragend an. »Und?«
    Er ließ sich neben mir auf der Stufe nieder und schnitt eine Grimasse. »Nun … technisch gesehen stimmt es mit der Beschreibung überein. Aber …« Er schüttelte den Kopf. »Es ist jedenfalls niemals das Geld wert, das dein Klient dafür aufwendet. Die meisten der Verzierungen sind Knochen und Elfenbein, was bei einem solchen Stück nicht üblich ist. Verbesserungen oder Reparaturen lohnen sich bei so etwas eigentlich nicht, aber …« Er biss sich auf die Unterlippe und blickte zu Boden. »Mein Instinkt sagt mir, dass da etwas nicht stimmt. Man kann nicht einmal richtig darauf spielen. Überhaupt strahlt das Ding etwas Beunruhigendes aus. Aber das ist sowieso unwichtig, weil der Museumsvorstand nicht bereit ist, sich davon zu trennen.«
    »Wieso nicht?«, fragte ich und drehte mich zu der Kuratorin um, die noch immer unter der Tür stand.
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist das einzige Tracher-Harmonium, das sie damals finden konnten. Die momentanen Bestimmungen unseres Museums verbieten es uns, etwas zu veräußern, das dem ursprünglichen Inventar entspricht. Allein der Gedanke, dass man weitere Gegenstände verlieren könnte, bereitet unserem Vorstand regelrechte Magengeschwüre – obwohl ich es nun gerne loswerden würde, nachdem ich gehört habe, was Ihr Freund dazu meint.«
    Ich senkte erschöpft den Kopf und seufzte. »Ich weiß, dass es für Sie vielleicht eine Zumutung ist, aber dürfte ich noch einen weiteren Experten hinzuziehen?«
    »Wenn Sie das für nötig halten, können Sie das gerne tun. Besonders wenn Ihr Befund dann den Vorstand dazu bringen könnte, das Harmonium zu verkaufen.«
    »Allerdings kämen wir außerhalb der Öffnungszeiten, da dieser Gutachter erst abends kann.«
    »Oh. Dann kontaktieren Sie mich doch bitte rechtzeitig, damit wir etwas ausmachen können. Ich gehe gern auf Nummer Sicher. Schließlich wollen wir keine Fälschung im Haus haben.«
    Wir bedankten uns bei ihr und verließen das Grundstück. Als wir die Straße überquerten, drehte ich mich noch einmal um, damit ich mir den Raum einprägen konnte, in dem sich das Harmonium befand. Der Boden schien unter meinen Füßen aufzubrechen, als ich mir das Haus aus dem Augenwinkel ansah. Das Grau riss auf und offenbarte ein zornig aussehendes Wirrwarr von brennenden Linien und Formen, die in einem brodelnden, feuchten Nebel zu kochen schienen. Ich

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