Greywalker
wandte mich abrupt ab, spürte aber dennoch einen eisigen Stich in meiner Brust. Will legte besorgt seinen Arm um mich und wir gingen die restlichen Meter bis zu den Autos eng aneinander geschmiegt.
Vor meinem Wagen blieben wir stehen. »Bist du sicher, dass es dir wieder gut geht?«, fragte Will erneut.
»Ja, das bin ich. Wahrscheinlich liegt es nur an etwas, das ich gegessen habe und was mir nicht bekommen ist.«
»Unsinn. Wir hatten das Gleiche, und ich merke nichts.« Er sah, dass ich die Lippen aufeinander presste. »Du willst nicht darüber reden, oder?«
»Nein, das will ich nicht.«
Er seufzte. »Na, gut. Dann lassen wir das Ganze also erst einmal auf professioneller Basis. Ich werde mich bemühen, mehr über das Harmonium herauszufinden. Ich habe schon einige Anlaufpunkte und auch die Firma Tracher könnte mir vielleicht weiterhelfen. Ich sage Bescheid, sobald ich etwas für dich habe.«
»Danke, Will.«
Er begutachtete mich von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf. »Du weißt schon, dass Mikey heute Abend haarklein wissen will, wie es mit dir gewesen ist?«
Ich versuchte zu lachen. »Armer Will. Terrorisiert von einem Sechzehnjährigen.«
»Hey, in diesem Sechzehnjährigen steckt in Wahrheit eine sechzigjährige jüdische Mutter. Mikey ist sich noch nicht sicher, ob du mir überhaupt gut tust.«
»Oh, ich bin mir dafür ganz sicher, dass ich sehr schlecht für dich bin. Wirklich sehr schlecht.«
»Mmm … sehr schlecht also«, meinte er. Dann beugte er sich zu mir herab, gab mir einen Kuss und knabberte für einen Moment zärtlich an meiner Unterlippe, ehe er mir zuflüsterte: »Ich frage nicht noch einmal, wie es dir geht, da du mich ja bestimmt wieder abblitzen lassen würdest.«
Ich nickte. »Stimmt.«
Er seufzte und ließ mich los. »Gut. Aber ich mache mir trotzdem Sorgen, und davon kannst du mich auch nicht abhalten. Willst du auch brav auf dich aufpassen, Harper?«
»Ja, will ich.«
»Nein –«, begann er.
»Ja, ich weiß«, unterbrach ich ihn. »Du Will, ich Harper.«
Er lachte. »Jetzt hast du mich erwischt!« Diesmal küsste er mich auf die Wange und öffnete galant die Fahrertür meines Wagens für mich.
Ich stieg ein und schnallte mich an. Will schlug die Tür zu und sah mich noch einen Augenblick nachdenklich an. Dann trat er einen Schritt zurück und schaute mir zu, wie ich rückwärts aus der Lücke fuhr und den Parkplatz verließ.
Ich schaffte es noch nicht einmal, mich an meinen Schreibtisch im Büro zu setzen, bevor mein Klient den Raum betrat und jeglicher Anschein von Normalität wieder einmal wie weggeblasen war.
Überrascht starrte ich ihn an. »Sergeyev. Sie sind zurück.«
»Sie haben Fortschritte bei der Suche nach meinem Möbelstück gemacht.«
Ich setzte mich und versuchte etwas Zeit zu schinden. »Ja, das habe ich.« Ich schaltete meinen Mund auf Autopilot, während sich mein Gehirn verzweifelt darum bemühte, einen Plan zu entwerfen. »Ich habe in einem Museum ein Harmonium entdeckt, dass mit Ihrer Beschreibung übereinstimmen könnte –«
»In welchem Museum? Nennen Sie mir den Namen. Man muss es mir aushändigen.«
Meine inneren Alarmglocken begannen zu schrillen. »Da könnte es gewisse Schwierigkeiten geben.«
Sergeyev beugte sich über mich und stank dabei derart stark nach dem Grau, dass ich mich zusammenreißen musste, um nicht zu würgen. Außerdem schien ihn eine farblose Energie zu umgeben, was mich allerdings nicht überraschte. »Sie werden das Museum dazu bringen, es mir zu geben«, befahl er. »Es gehört mir.«
»Nein«, antwortete ich entschlossen, während sich mein Magen wieder einmal umdrehte. Das Grau drückte mit einem gewaltigen Gewicht gegen meine Brust. Ich wehrte mich so gut ich konnte und hielt es erst einmal davon ab, mir noch näher zu kommen. »Sie mögen vielleicht der Meinung sein, einen moralischen Anspruch darauf zu haben, aber die augenblicklichen Besitzer können nicht dazu gezwungen werden, es Ihnen zu überlassen.«
»Es gehört mir!«
Meine Stimme klang wie Wasserblasen auf kochendheißem Öl. »Nicht vor dem Gesetz. Ich kann keine Wunder vollbringen und es Ihnen einfach bringen. Auch ich muss mich an das Gesetz halten.«
Er knirschte mit den Zähnen, oder zumindest redete ich mir ein, dass das Geräusch daher kam. »Das Gesetz! Menschengesetze. Wer hat mehr Anrecht darauf als ich? Mit jedem Knochen, jeder Sehne gehört es mir und mir allein. Es ist meins. Geben Sie es mir!«
Ich starrte ihn abweisend
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