Greywalker
Museum machten.
Ich fuhr meinen Wagen auf den Kiesparkplatz gegenüber und Will stellte seinen direkt daneben. Das Haus wirkte wie bei meinem ersten Besuch finster und abweisend. Seine Fenster schienen uns düster anzuglotzen und das ganze Gebäude war von einem Schleier von Grau umgeben. Sogar der glühende Nexus war verschwunden. Wir überquerten die Straße, aber diesmal war das Eingangstor verschlossen, sodass wir klingeln mussten.
Aus der Sprechanlage erklang eine Frauenstimme. »Montag haben wir Ruhetag.«
»Mein Name ist Harper Blaine. Ich habe einen Termin mit dem Kurator.«
»Oh, gut. Ich bin gleich da.«
Einige Minuten später erschien eine Frau mittleren Alters in einem Kostüm, Stöckelschuhen und dem typischen Haarschnitt einer Geschäftsfrau. Sie warf einen Blick auf Will und erkannte in ihm anscheinend sofort einen Verwandten im Geiste. Sie redeten angeregt über Antiquitäten, während wir auf das Museum zuliefen.
»Heutzutage interessiert sich keiner mehr für unser Kulturerbe«, beklagte sie sich, als wir vor der Küchentür standen. »Man muss der Stadt jeden Cent einzeln aus der Tasche ziehen. Diese Bürokraten hängen am Geld, als ob es ihr eigenes wäre. Oder sie geben es lieber für ein neues Baseball-Stadion aus. Bitte Vorsicht hier. Putzen Sie doch Ihre Schuhe an dem Fußabtreter ab.«
Wir taten ihr den Gefallen. Sie führte uns in die Empfangshalle und breitete stolz die Arme aus. »Ist es nicht herrlich? Wieder wesentlich hübscher anzusehen als früher, vor meiner Zeit. Das ganze Interieur war damals viktorianisch gehalten, vollgestopft mit fürchterlichem Tand, hässlichen Tapeten und abscheulichen Farben. Es hatte überhaupt nichts mit der Ära zu tun, in der das Gebäude entstanden ist.«
»Und aus welchem Grund hat das Museum ein Harmonium erworben?«, erkundigte sich Will.
»Ach, natürlich, deshalb sind Sie ja hier, nicht wahr? Dieses Haus besaß ursprünglich eine Hausorgel, aber sie ging leider kaputt und mein Vorgänger hat sie weggeworfen. Folgen Sie mir! Das Harmonium befindet sich im ersten Stock. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie schwierig es war, das Instrument hier hoch zu bekommen!« Sie stieg vor uns die Treppe hinauf. Oben öffnete sie eine Tür. »Hier, bitte. Ist es nicht grässlich?«
Um den Kamin herum standen wie bei meinem letzten Besuch ein kleines Sofa, einige Sessel und ein Nähkästchen und verströmten einen beruhigenden Geruch von Alter und Möbelpolitur. Das Harmonium stand an einer Wand, umgeben von glühendroten Fäden, um die sich widerliche graue Schlangen wanden. Will holte die Beschreibung hervor, die ich ihm zuvor gegeben hatte, und tat so, als studierte er sie gründlich.
Mir war auf einmal wieder schwindlig und mein Herz fing heftig an zu klopfen. Ich versuchte, das Gefühl der Bedrohung zu unterdrücken, schaffte es aber nicht. Ich hatte den Eindruck, schlagartig seekrank zu sein. Der Raum verschwamm vor meinen Augen und stank plötzlich nach Verwesung, ganz gleich, wie sehr ich mich dagegen wehrte.
Will las weiter in der Beschreibung, während wir vorsichtig über das gebohnerte Parkett gingen. Nach zwei Schritten im Zimmer war mir schon übel. Als wir nur noch eineinhalb Meter vom Harmonium entfernt waren, pochten migräneähnliche Schmerzen in meinem Schädel. Ich legte eine Hand auf Wills Arm.
»Was ist los?«, fragte er.
Ich log. »Ich weiß nicht. Aber ich fühle mich nicht so gut.« Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Harmonium zu.
Es war wirklich das hässlichste Möbelstück, das mir jemals unter die Augen gekommen war, auch wenn es nicht von einer wirbelnden Energie-Matrix umgeben gewesen wäre oder nicht wie ein schwarzes Loch alles Licht um sich herum aufgesogen hätte. In nur wenigen Tagen war es noch schlimmer geworden. Wygans »Geschenk« ermöglichte mir eindeutig eine klarere Sicht in das Grau. Eine neblige Sturmwolke pulsierte um das Harmonium, während gespenstische Gesichter es umkreisten und die Böen des paranormalen Windes lautlose Schreie ausstießen. Entsetzen kroch mir die Wirbelsäule hoch. Ich zwang mich dazu, näher zu treten. Ein glühender Fangarm schoss hervor und traf mich genau an der Stelle, wo sich Wygans Faden befand. Ich würgte und taumelte zurück.
So gut es ging, versuchte ich das Grau zu biegen und es von mir zu stoßen. Der Fangarm begann zu zittern und raubte mir irgendwie die Kraft, weiterzumachen. Meine Knie gaben nach und mir wurde schwarz vor Augen.
Will packte
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