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Greywalker

Greywalker

Titel: Greywalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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dem Einkaufszentrum. Haben Sie etwas zum Schreiben da …«

Fünf
     
     
    Am nächsten Morgen auf dem Weg ins Büro traf ich den unhöflichen Kerl wieder, der mich am Abend zuvor angerempelt hatte. Diesmal schenkte er mir allerdings keinerlei Beachtung sondern ging einfach in Richtung First Avenue. Trotz der Sonne, die durch eine dünne Wolkendecke fiel, war der Tag dunkel. Ich beschloss, die menschenähnlichen Formen und Gestalten, die ich dort sah, wo garantiert keine Leute waren, auf das fehlende Koffein in meinem Blut und auf die frühe Stunde zu schieben. So eilte ich in mein Büro und stürzte mich auf die Arbeit, erledigte einige Anrufe und machte mehrere Abzüge von Camerons Bildern.
    Währenddessen sah ich mich immer wieder nach seltsamen Wesen um, entdeckte diesmal zum Glück jedoch nichts. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, ständig beobachtet zu werden – sogar in meinem Büro. Bei diesem Gedanken stellten sich meine Nackenhaare auf.
    Es klopfte an der Tür. Die Briefträgerin kam herein und hielt mir ein Papier auf einem Klemmbrett unter die Nase, das ich unterschreiben sollte.
    »Von jemandem namens G. Sergeyev«, erklärte sie.
    Es handelte sich um einen großformatigen Eilbrief. Sobald sie wieder weg war, riss ich ihn auf und fand darin einen Stapel getippter Notizen und einen ausländischen Scheck. Letzteren begutachtete ich besonders genau. Da ich aber bisher noch nie einen europäischen Bankscheck zu Gesicht bekommen hatte, konnte ich nicht viel damit anfangen. Der Stempel auf dem Umschlag verriet mir, dass er in London abgeschickt worden war, was mich bei dem Scheck allerdings auch nicht weiterbrachte. Meine Bank würde wohl wissen, was sie damit zu tun hatte. Ich nutzte also die Gelegenheit und machte eine kleine Pause, um ihn einzulösen.
    Als ich aus der Bank trat, wehte mir eine kalte Brise entgegen. Fröstelnd machte ich die Jacke zu. Die Luft wirkte auf einmal noch trüber als zuvor. In meinen Ohren begann es unangenehm zu surren. Der Wind pfiff zwischen den Gebäuden hindurch und trieb mir die Haare ins Gesicht. Einen Augenblick lang konnte ich nicht einmal etwas sehen. Ich schlug den Kragen hoch und verkroch mich in meiner Jacke.
    Während ich mich mit gesenktem Kopf durch die Straßen kämpfte, traf mich plötzlich etwas am Brustkorb. Die Heftigkeit des Aufpralls ließ mich um Atem ringen und ich taumelte einen Schritt zurück. Verwirrt schaute ich mich um und versuchte herauszufinden, was mich da gerade erwischt hatte. Ich konnte nichts sehen, aber dieser Gegenstand oder was auch immer es gewesen sein mochte, hatte mich mit der Wucht eines Wurfgeschosses getroffen und einen stechenden Schmerz in meiner Brust verursacht. Das war garantiert keine Halluzination gewesen – Halluzinationen tun schließlich nicht weh. Mir war mulmig und schwindlig zumute.
    Der kalte Nebel war zurückgekehrt. Die Welt sah wieder so aus als wäre alles verschwommen und in blasse Farben getaucht. Zahlreiche Angestellte, die ihre Mittagspause im Freien genossen, bewegten sich durch den Nebel als gäbe es ihn gar nicht. Sie kamen mir wie Projektionen auf einer grauen Leinwand vor. Ein körperloser Schatten schwebte an mir vorbei. Ich schüttelte den Kopf und rieb mir die Augen, aber dadurch verschwand der Spuk auch nicht.
    Einige Fußgänger drehten sich nach mir um. Sie schienen nicht hierher zu passen – es war fast so, als würden gleichzeitig verschiedene Filme abgespielt, die nichts miteinander zu tun hatten. Mir zitterten die Knie und ich stolperte auf einen pinkfarbenen Fleck im Nebel zu. Es war eine riesige Metalltulpe, die eigentlich leuchtend rot und grün gestrichen war. Ein Kunstwerk im öffentlichen Raum. Ich setzte mich vorsichtig auf den Granitsockel, auf dem sie stand, und sah mich um.
    Graue Formen strömten zwischen den Leuten hin und her. Ich wollte aufspringen und weglaufen, diese unheimlichen Gestalten endlich hinter mir lassen. Die kaum mehr wahrnehmbare normale Welt von Seattle schien diese Schatten genauso wenig zu bemerken wie andersrum. Beide Welten durchkreuzten sich, ohne sich auch nur im Geringsten zu beachten. Die schwachen Sonnenstrahlen vermochten den Nebel nicht zu durchdringen, erreichten aber irgendwie noch Gebäude und Menschen. Die anderen Wesen spürten jedoch nichts davon, bewegten sich nach einem steten Rhythmus aus eisigem Klirren und weit entfernten Stimmen.
    Obwohl es mir eiskalt den Rücken herablief, schalt ich mich für meine Hilflosigkeit. Also holte ich

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