Greywalker
sich dabei auf sein Messer, mit dem er ein Hühnerbrüstchen zerlegte, das sich auch problemlos einem Löffel ergeben hätte. »Warum bist du Privatdetektivin geworden?«
»Ich habe mich schon immer für Geheimnisse jeglicher Art interessiert. Außerdem war es genau das Gegenteil dessen, was meine Mutter für mich vorgesehen hatte, und das wurmt sie heute noch. Ich machte alles bis zum Uni-Abschluss mit, ohne aufzumucken, nur damit sie mich in Ruhe ließ. Sobald ich jedoch mein Diplom in der Hand hielt, warf ich das Handtuch.«
Er sah mich an. »Du hast also einen nicht gerade ungefährlichen Beruf gewählt, nur um deiner Mutter eins auszuwischen?«
»Nein. Aber das war und ist noch immer ein netter Nebeneffekt«, erklärte ich. »Wenn ich nicht so gern meine eigenen Wege ginge, hätte ich auch Polizistin werden können. Aber ich gehöre zu den Leuten, die Rätsel auf eigene Faust lösen wollen. Streife fahren, Drogendealer hochgehen lassen, Schießereien und Verkehrskontrollen – diese ganze Seite der Polizei interessiert mich im Grunde nicht. Ich will Probleme lösen. Und wenn sie spannend genug sind, esse und schlafe ich nicht, bis ich die Lösung gefunden habe. Auf diese Weise bediene ich meine zwanghafte Ader und kann gut damit leben. Rate mal, was mein Lieblingsfilm ist?«
»Die Spur des Falken?«
»Haben und Nichthaben.«
»Das ist aber kein Krimi.«
»Ich weiß, aber es ist trotzdem mein Lieblingsfilm. Ich finde Lauren Bacall toll. Die Spur des Falken liegt auf Platz Zwei und Tote schlafen fest ist knapp Dritter.«
»Bogart-Fan, was?«
»Und wie! Bogey hat immer die toughen Typen gespielt«, meinte ich. »Kennst du jemanden, der das besser konnte?«
»Wie wäre es mit James Cagney oder Alan Ladd?«
»Die sind beide gut, aber sie spielen nicht in der Bogart-Liga. Wusstest du, dass Cagney als Tänzer angefangen hat?«
»Ja, genau wie George Raft.«
Ich starrte ihn an.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich mag alte Filme, alte Dinge. Deswegen bin ich ja auch Antiquitätenhändler geworden. Manchmal bin ich der festen Überzeugung, dass sie zu mir sprechen.« Er errötete. »Ich habe eine sehr lebhafte Fantasie.«
»Besser zu viel als zu wenig.«
Er zuckte noch einmal mit den Achseln und wechselte das Thema. Den Rest des Abends unterhielten wir uns über alte Möbel und Filme. Ich wollte nicht nach Hause, aber irgendwann fielen mir fast die Augen zu. Will lächelte, begleitete mich zu meinem Auto und winkte mir zum Abschied nach. Ich freute mich bereits darauf, ihn am nächsten Tag wiederzusehen. Aber selbst das Gefühl der Wärme, das mir seine Anwesenheit vermittelt hatte, verhinderte nicht, dass ich mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube nach Hause fuhr.
Nichts passierte. Die Fahrt verlief reibungslos und meine Wohnung und mein Frettchen Chaos warteten wie immer auf mich. Ich ließ mich erleichtert aufs Sofa fallen und rief die Danzigers an. Ben hob ab.
»Ich weiß, dass ich ziemlich spät anrufe, aber ich habe noch eine Frage.«
»Es ist noch nicht zu spät, keine Sorge. Was möchten Sie denn wissen?« Seine Stimme entfernte sich ein wenig. »Bleiben Sie bitte kurz dran.« Ich hörte, wie er Maras Namen rief. Dann vernahm ich ein Klicken in der Leitung und ein leichtes Rauschen.
»Also – heute Abend hat jemand versucht, mich zu überfahren. Ich hechtete zur Seite und schlug hart auf dem Boden auf. Es ist mir nichts Erwähnenswertes passiert, aber der Wagen hätte mich unmöglich verfehlen können. Ich hatte zu wenig Platz und das Auto war zu schnell, als dass ich mich hätte retten können. Es nieselte. Aber als ich zur Seite sprang, geriet ich in den Nebel. Den grauen Nebel.
Und dann befand ich mich wieder im Regen. Das Auto hat mich nicht einmal berührt. Was zum Teufel kann das gewesen sein?«
Ben klang plötzlich ganz aufgeregt. »Wow! Einen Augenblick lang haben Sie wahrscheinlich geflimmert oder waren ganz verschwunden. Das muss dem Fahrer ja einen ziemlichen Schrecken eingejagt haben.«
Mein Frettchen kletterte auf meinen Schoß und versuchte, mir das Telefon zu stibitzen. Ich setzte es entschlossen auf den Boden. »Das kann ich nur hoffen. Sie meinen also, dass ich verschwunden war?«
»Nicht ganz. Sie haben einen festen Körper und das Grau ist eine Zone, in der sich die Sphären überschneiden. Erinnern Sie sich noch? Im Grunde waren Sie einen Augenblick lang an beiden Orten gleichzeitig, indem Sie Ihr Energieniveau verändert haben.«
Sein Enthusiasmus schien mir
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