Greywalker

keine Ahnung, was sie da eigentlich Wichtiges tun. Sie stellen sich zudem meist als gute Informationsquellen heraus, wenn man nur weiß, wie man sie zum Reden bringen muss. Ich hoffte, dass es sich bei Mr Fosters Sekretärin um eine Plaudertasche handelte, aber darauf verlassen konnte ich mich nicht. Nun brauchte ich aber erst einmal einen besonders großen Kaffee. Ich verließ also das Büro, um mir einen Coffee-to-go zu besorgen.
    Als ich zurückkam, stellte ich den Kaffeebecher auf den Schreibtisch und rief meinen Vermieter an. Er wollte offensichtlich einen Streit über die Notwendigkeit des Schlossers vom Zaun brechen. Ich bezeichnete ihn als Geizkragen und er tat so, als hätte sein Ärger nichts damit zu tun. Wir waren gerade inmitten des üblichen Austauschs kleiner Gehässigkeiten, als jemand in der Leitung anklopfte. Kurzerhand drückte ich meinen Vermieter weg.
    »Harper Blaine.«
    »Hi, hier Steve – Steve von Dominic’s. Erinnern Sie sich noch? Vor einiger Zeit haben Sie doch nach diesem blonden Jungen gesucht. Also, ich glaube, er ist mir gestern Abend über den Weg gelaufen.«
    »Einen Augenblick bitte, Steve. Ich bin gerade mitten in einem Gespräch. Ich bin gleich wieder da.« Rasch schaltete ich zu meinem Vermieter zurück. »Nun passen Sie mal gut auf: Das Schloss war aufgebrochen, und Sie können nicht von mir erwarten, dass ich mein Büro sperrangelweit offen lasse. Aber wenn Sie derart unmenschlich sein wollen – bitte. Dann schicken Sie mir doch die Rechnung.«
    Er brummte etwas Unverständliches und wollte gerade zu einer Retourkutsche ansetzen, aber ich schenkte ihm keine weitere Beachtung. Ich musste so schnell wie möglich zu Steve zurück. Hoffentlich hatte er noch nicht aufgelegt.
    »Steve? Hallo. Vielen Dank, dass Sie gewartet haben.«
    »Kein Problem. Also, es geht um den Typen, nach dem Sie mich gefragt hatten. Ich glaube … das heißt, ich bin sicher, dass ich ihn gestern Abend gesehen habe.«
    »Und wo?«
    »Vor dem Club.«
    »Was haben Sie denn an einem Sonntagabend vor dem Club gemacht? Hat der da nicht zu?«
    »Doch, aber ich musste aushelfen. Wir waren fertig, als es gerade dunkel wurde, und ich bin auf die Straße rausgegangen, um noch ein paar Müllsäcke wegzuwerfen. Da ist mir dieser Typ aufgefallen. Ich habe genauer hingesehen und ihn von dem Foto erkannt, das Sie mir gezeigt haben, obwohl er ziemlich weit weg war.«
    »Wie haben Sie ihn erkannt? Konnten Sie ihn direkt sehen?«
    »Auf jeden Fall gut genug. Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie plötzlich spüren, dass Sie jemand anstarrt? Genau so ist es mir da ergangen. Deshalb ist er mir auch aufgefallen. Ich drehte mich um und da stand er. Ich habe ihn genauso angestarrt wie er mich.«
    »Wieso?«
    »Das funktioniert normalerweise ganz gut. Manchmal hängen Junkies bei uns in der Gegend rum und wenn man sie direkt anstarrt, ziehen sie Leine. Entweder das oder sie greifen an. Auf jeden Fall kommt etwas in Bewegung. Ich starrte ihn also an und er machte einen Schritt auf mich zu. Aber dann plötzlich schien er sich einfach in Luft aufgelöst zu haben. Vielleicht ist er aber auch nur weggelaufen.«
    »Sie sind sich sicher, dass es der Junge von dem Foto war?«
    »Er sah jedenfalls verblüffend ähnlich aus.«
    »Um welche Uhrzeit war das?«
    »So ungefähr um sieben oder um halb acht.«
    »Warum haben Sie mich nicht sofort angerufen?«
    »Ich hatte Ihre Visitenkarte nicht dabei.«
    Zumindest wusste ich jetzt schon mal mehr als noch vor einer Stunde. »Vielen Dank, Steve. Übrigens habe ich inzwischen erfahren, dass er etwas mit einem Typen namens Edward zu tun haben könnte, der auch viel in Clubs rumhängt. Er scheint ein etwas älterer Goth zu sein. Klingelt es da bei Ihnen?«
    »Nein, tut mir leid. Mit der Beschreibung kann ich nichts anfangen. Sorry.«
    »Dank Ihrer Hilfe bin ich schon einen guten Schritt weiter gekommen. Ach ja, wie wirkte er eigentlich auf Sie?«
    »Wie er wirkte? Nicht gut. Es hat mich richtig gegruselt, wenn ich ehrlich sein soll.«
    Das ließ mich aufhorchen. »Interessant. Vielen Dank nochmal, Steve. Wenn es irgendetwas gibt, was ich für Sie tun kann … solange es legal ist …«
    »Da gäbe es schon was. Dienstags so gegen Mitternacht könnte ich zum Beispiel gut einen dreifachen Cocktail gebrauchen.«
    Ich lachte. »Ich werde daran denken.«
    Ich legte auf und saß eine Minute lang einfach da. Mein Instinkt hatte mich nicht im Stich gelassen: Cameron Shadley war noch immer in der Gegend um den