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Greywalker

Greywalker

Titel: Greywalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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hinaus sprang. Ein grauer Schatten in Form einer Katze blieb jedoch an ihrem alten Platz zurück, als ob sie sich nie von der Stelle bewegt hätte. Ich schüttelte mich und ging wieder nach unten.
    Mrs Ingstrom befand sich in der Küche im hinteren Teil des Hauses und hatte mit Hilfe einer alten Melitta-Maschine Kaffee gekocht. Sie sah mich flüchtig an, während sie die volle Kanne und zwei weiße Becher nahm und die Küche verließ. »Wir können uns in das vordere Zimmer setzen, dort habe ich auch die Unterlagen, die Sie brauchen. Sonst ist das Haus auch nicht mehr sehr einladend. Alles ist bereits für die Auktion am kommenden Wochenende vorbereitet oder zumindest nummeriert.«
    Ich bereute erneut den vielen Kaffee, den ich mittags getrunken hatte. Wenn ich so weiter machte, würde mein Puls sich überschlagen, bis ich ins Büro zurückkehrte.
    Ich folgte ihr also ins Wohnzimmer – oder vielmehr den Salon, wie man diesen Raum wohl zu jener Zeit nannte, als das Haus erbaut worden war. Mrs Ingstrom bat mich, auf einem Sessel vor dem kalten Kamin Platz zu nehmen. Sämtlicher Nippes, der sich gewöhnlich auf einem Kaminsims fand, war entweder weggeräumt oder bereits mit einer Auktionsnummer versehen worden. Die meisten Möbel des Raums standen in einer Ecke zusammen.
    Sie goss den Kaffee ein. »Bedienen Sie sich doch bitte bei den Keksen.«
    Ich folgte ihrer Einladung, und der einladende Duft von Butter stieg mir in die Nase. Vermutlich nahm man bei diesem Gebäck schon zu, wenn man nur daran roch. Ich begann zu knabbern. Mrs Ingstrom stellte einen Becher vor mich auf ein Tischen und schob mir die Zuckerschale und ein dazugehöriges Sahnekännchen hin. Sie schenkte mir ein schmales, angespanntes Lächeln. »Zum Glück habe ich den Zucker noch nicht eingepackt.«
    Der Kaffee war so heiß, dass ich mir prompt die Zunge verbrühte. Ich erkundigte mich nach dem Harmonium.

»Ich war sehr überrascht, dass ich die Unterlagen so schnell gefunden habe«, erklärte sie. »Auf Chets Schreibtisch lag ein großer Stapel Papiere, den ich durchgegangen bin. Zum Glück war Chet so gut organisiert. Aber es ist mir trotzdem schwergefallen … Wenn ich jedes Dokument einzeln hätte ansehen müssen, hätte ich es wohl nie geschafft. Es war schrecklich, einfach schrecklich.« Ihre Stimme zitterte, ehe sie zu weinen anfing. »Warum? Warum nur?« Sie legte den Kopf in die Hände und schluchzte.
    Ich erstarrte und blieb einen Moment lang wie angewurzelt sitzen. Nach einer Weile stand ich jedoch etwas befangen auf und setzte mich neben sie auf das Sofa, um ihr einen Arm um die Schultern zu legen.
    Ich streichelte ihre Hand und murmelte: »Bitte weinen Sie nicht. Es wird alles wieder gut werden.«
    Sie schniefte, wischte sich die Augen mit dem Saum ihres Rocks ab und holte tief Atem. »Nein, das wird es wohl nie wieder.«
    Ich reichte ihr eine Serviette, die zwischen dem Kaffeegeschirr lag, und sie putzte sich damit die Nase. Dann tupfte sie sich erneut die Augen ab und begann zu reden.
    »Es ist einfach schrecklich – nicht mehr und nicht weniger. Unserer Firma ging es immer sehr gut und wir führten keinen extravaganten Lebensstil. Wir lebten nie über unsere Verhältnisse. Chet war ein von Natur aus sparsamer Mann, das lag wohl in seiner Familie. Doch dann lief auf einmal so vieles schief und irgendwie gelang es unserer Firma nicht, diese Krise zu meistern. Die ganzen Rechnungen und die Gläubiger und die Lieferanten mit ihren Anwälten und den Gerichtsverfahren. Und schließlich die Leute von der Steuer. Es war ein Albtraum. Schlimmer noch – es ist weiterhin ein Albtraum! Wenn Chet einfach nur gestorben wäre, hätten wir das Geschäft als Ganzes verkaufen können. Aber diese furchtbare Insolvenz hatte die Firma bereits in Stücke gerissen. Und dann dieser Schicksalsschlag! Gott sei Dank hatte Chet wenigstens ein Testament gemacht, sonst wüssten wir jetzt weder ein noch aus …« Sie putzte sich noch einmal die Nase und schüttelte verzweifelt den Kopf.
    »Es tut mir leid, wenn ich mich derart gehen lasse, aber ich kann momentan einfach nicht anders … Ich erwarte die beiden immer noch zum Essen zurück und hoffe insgeheim, dass sie durch den Hintergarten in die Küche kommen, dort in die Töpfe gucken und kosten, was es gibt. Ihre Kleidung hat immer nach Bilge und Diesel gerochen. Ich stelle mir vor, wie sie lachen und sich über mich lustig machen, weil ich mich mal wieder über sie beklage. Und wissen Sie, was das Schlimmste

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