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Greywalker

Greywalker

Titel: Greywalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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wie eine Fahne im Wind zu flattern schien. Jedes Mal, wenn ich mich ihr näherte, überrollte mich ein Gefühl der Übelkeit und mein Herz fing wild an zu pochen.
    Auf einmal erschien Albert neben mir und ich schrie ihn an: »Lass mich in Ruhe!« Die Unterbrechung führte dazu, dass ich mich kurz darauf wieder im Flur befand und ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde jeden Moment platzen. Vor Angst und Wut zitterte ich am ganzen Körper.
    Ich atmete tief ein und versuchte mich wieder zu entspannen. Der sich windende Vorhang des Grau kam mit ungeheurer Geschwindigkeit auf mich zu, und bevor ich es mir anders überlegen konnte, trat ich über die Grenze. Ich befand mich in einer Art Schneesturm, der um mich herum tobte. Also legte ich mir die Hände auf die Ohren und ging langsam weiter, während in dieser Welt der beschlagenen Spiegel auf einmal Scharen von Monstern und eine Armee körperloser Toter auf mich zu warten schienen. Die Kälte drang durch meine Haut bis tief in mein Inneres, und ich glaubte, von innen her einzufrieren.
    »Nein!«, schrie ich und riss mich aus der grauen Masse los, um auf die andere Seite der regengrauen Wand zu gelangen. Mit einem lauten Knall landete ich auf den Knien im Flur der Danzigers.
    Mara sprang sofort auf und reichte mir entsetzt die Hand. »Harper!«
    Ich schob sie beiseite. »Lassen Sie mich zufrieden!« Dann griff ich nach der Bank und zog mich mühsam daran hoch. »Da ist etwas. Ich kann da nicht wieder hinein und mich ihm preisgeben.«
    »Das ist Ihre Furcht. Sie kämpfen derart stark dagegen an, dass Sie nur das sehen, was Sie dort erwarten. Sie müssen loslassen!«
    »Ich kann nicht.«
    Sie funkelte mich an. »Sie meinen wohl, Sie wollen nicht.«
    »Na und? Dann will ich es eben nicht«, fauchte ich zurück.
    »Aber Sie müssen! Sie haben nur Angst, und es wird nicht –«
    »Verdammt! Verdammt! Verdammt!« Ich fuhr mir durch die frisch geschnittenen Haare und fing beinahe an zu heulen, als sie sich so unerwartet kurz anfühlten. Verzweifelt schluckte ich den Klumpen, der mir im Hals zu stecken schien, herunter.
    Ich biss mir auf die Unterlippe und griff nach meiner Tasche. »Ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht. Und ich werde es auch nicht mehr versuchen. Egal, was Sie sagen. Ich –«
    Ich drehte mich um und ging zur Tür. Albert, der auf einmal so greifbar wie eine Wand vor mir stand, versperrte mir den Weg.
    Hinter mir hörte ich Mara. »Harper, stürmen Sie nicht einfach davon. Sie müssen es versuchen oder Ihre Furcht wird Sie auffressen!«
    Ich warf ihr über die Schulter hinweg einen derart zornigen Blick zu, dass sie mit weit aufgerissenen Augen einen Schritt zurücktrat. »Ich – kann – es – nicht! Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen? Ich kann es nicht!«
    Blind vor Wut und Angst und getrieben von meinem Entsetzen wandte ich mich wieder Albert zu. Ich zischte ihn an: »Aus dem Weg oder ich schwöre, dass ich einen Weg finden werde, dir weh zu tun.«
    Er verschwand. Ich stürzte ins Freie und schmetterte die Tür hinter mir ins Schloss.
    Als ich in meinem Wagen saß, fuhr ich sofort los. Ich wusste nicht wohin und verstand auch nicht, warum man mich nicht anhielt. Das Einzige, was ich sehen konnte, waren Wogen von Grau, das versuchte, durch die Ritzen der Türen zu dringen. Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Endlich fuhr ich an den Bordstein und wartete, bis ich aufhörte zu zittern.
    Ich hatte noch nie gesagt, dass ich etwas nicht konnte. Selbst als Kind, als ich zu ständig neuen Höchstleistungen angetrieben wurde, kam mir dieser Satz nie über die Lippen. Ich mochte zwar »Ich weiß nicht wie«, »Ich habe Angst« oder »Dazu bin ich nicht gut genug« gesagt haben, aber nie dieses »Ich kann nicht«. Mir war schlecht.
    Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus, bis meine Brust und mein Hals nicht mehr weh taten. Obwohl ich mich hundemüde fühlte, ließ ich den Motor erneut an und zwang mich dazu, ins Büro zu fahren. Den Wagen parkte ich ganz in der Nähe.
    Um nicht mitten unter den Geistern sitzen bleiben zu müssen, lief ich einfach los, ohne mich vorher noch einmal zu sammeln.
    Ich ging die Third Avenue hinunter und achtete dabei nicht auf meine Umgebung, sondern versuchte, das flimmernde Grau in meinen Augenwinkeln zu ignorieren. Schließlich sah ich mich um. Ich hatte das Kaufhaus Bon Marche erreicht, und es dämmerte mir, dass ich nur wenige Blocks von der Adresse entfernt war, die

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