Greywalker
andere Sphäre parallel zu der unseren existiert. Neben der normalen gibt es eine paranormale Welt. Und zwischen hier und dort befindet sich ein Ort, wo Wesen wie Geister und Vampire leben – so wie normale Menschen in der normalen Welt. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, bisher kann ich dir folgen.«
Ich nickte und erzählte ihm meine Geschichte, wobei ich mir genügend Zeit ließ. »Vor einiger Zeit hatte ich eine Art Unfall. Danach konnte ich auf einmal Dinge sehen und mich in diesem Etwas bewegen. Man nennt es das Grau. Manchmal ist es so, als ob ein Film auf grauen Nebel projiziert wird, dem ich zusehe. Ein andermal kann ich einfach hineingehen und ganz darin verschwinden, aber das tue ich so selten wie möglich. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dabei die normale Welt völlig verlasse oder ob ein Teil von mir hier zurückbleibt. Aber ich kann die Wesen immer besser im Grau erkennen – selbst wenn ich hier bin.«
»Du meinst Geister?«
»Genau, ich sehe ständig Geister. Und noch vieles mehr. Ich kann nicht behaupten, dass es mir gefällt. Und ich kann dich sehen. Du scheinst in beiden Dimensionen gleichzeitig zu existieren und nimmst mich mit beiden Augenpaaren wahr, weshalb ich für dich präsenter wirke ist als viele andere Leute.«
»Das stimmt. Du scheinst viel realer zu sein als die meisten anderen in letzter Zeit. Und was ist gerade eben passiert?«
»Als ich dich berührt habe? Ich … Ich bin in das Grau gefallen.«
»Wow! Das ist ja gruselig!«
»Nicht viel gruseliger als ein Vampir zu sein, nehme ich an.«
Er nickte nachdenklich.
»Und deine Geschichte?«, fragte ich ihn.
»Äh … also – kann ich vielleicht einige Einzelheiten auslassen?«
»Klar, vorerst schon.« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme und wartete gespannt, was mir Cameron erzählen würde.
»Also gut. Weißt du, ich hing vor einiger Zeit oft am Pioneer Square herum, weil ich einer guten Freundin helfen wollte.«
»Könnte es sich bei dieser Freundin vielleicht um deine Schwester Sarah handeln?«
Er zögerte.
»Sie hat mir davon erzählt. Sie meinte, dass sie eine Zeit lang jemandem hörig war. Ein Mann namens Edward hielt sie sich als Spielzeug.«
Cameron schloss die Augen. Er machte auf einmal einen sehr erschöpften Eindruck. »Ja, das stimmt.« Er öffnete langsam wieder die Lider und starrte dann vor sich hin. »Es dauerte etwas, bis ich Edward ausfindig gemacht hatte. Dann versuchte ich so ziemlich alles, um ihn dazu zu bringen, Sarah frei zu geben. Aber er wollte nicht.« Seine Stimme klang jetzt dunkler und bedrohlicher. »Es hat ihm alles verdammt viel Spaß gemacht. Ich hätte ihm am liebsten die Fresse poliert. Natürlich wäre ich dazu nicht in der Lage gewesen, aber das lag bestimmt nicht daran, dass ich es nicht gewollt hätte. Was blieb mir also anderes übrig, als ihn zu fragen, was er für Sarah haben wollte? Und wissen Sie, was der Schweinehund antwortete? Er wollte mich!«
Mir drehte sich der Magen um. Ich hob beruhigend die Hand. »Immer mit der Ruhe, Cameron. Kein Grund, sich so aufzuregen.«
Er starrte mich finster an, atmete dann tief durch und entspannte sich ein wenig. »Sorry. Ich sollte mich besser im Griff haben, aber das hat mich damals total fertig gemacht. Auf jeden Fall fand ich allein die Vorstellung bereits gruselig genug. Aber ich wollte Sarah helfen. Sie schien jedes Mal, wenn wir uns trafen, schwächer zu werden.
Lange Rede, kurzer Sinn, ich habe jedenfalls schließlich zugestimmt.« Cameron betrachtete nachdenklich seine Hände. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich es mit einem Vampir zu tun hatte. Ich dachte nur, dass er Sex mit mir wollte. Wie hätte ich wissen können, dass er mich in einen … in einen Vampir verwandeln wollte?«
Jetzt blickte er auf. Seine Augen glühten düster. »Ich dachte, er sei einfach irgendwie pervers und glaubte, mich besser gegen ihn verteidigen zu können als Sarah. Ich bin nicht verklemmt, was Sex betrifft, und habe mir keine großen Gedanken gemacht. Vermutlich würde er mich nach einer Weile langweilig finden und mich auch gehen lassen. Aber so war das leider nicht.
Zuerst war es einfach nur merkwürdig … Darüber möchte ich eigentlich lieber nicht reden.« Er zog eine Grimasse.
»Verstehe ich. Dann mach doch einfach mit dem weiter, worüber du reden kannst«, ermutigte ich ihn.
»Gut … Also, Edward ist ein Vampir und jetzt bin ich auch einer.«
»Und warum wurde Sarah kein Vampir?«
»Keine Ahnung.
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