Grieche sucht Griechin - Grotesken
Äußeres, eine gefällige Kleidung ist nur zu loben, besonders heutzutage, wo es doch in gewissen Kreisen, die einer gottlosen Philosophie nacheifern, Mode geworden ist, sich auffällig salopp und beinahe bettlerhaft zu kleiden, mit farbigen Hemden über den Hosen und ähnlichen seltsamen Greueln. Eine anständige Mode und Christentum schließen einander keineswegs aus.«
»Herr Bischof«, fuhr Archilochos, mutiger geworden, fort:
»Es kann einen Christenmenschen wohl beunruhigen, denke 63
ich, wenn mit einem Male Unglück über Unglück über ihn hereinbricht. Wie ein Hiob mag er sich da vorkommen, dem die Söhne und Töchter dahinstarben, und der mit Armut und Aussatz behaftet wurde; aber um so mehr wird er sich dabei doch trösten können und das Unglück als eine Folge seiner Sünden ansehen dürfen. Doch wenn das Gegenteil eintritt, wenn sich Glücksfall über Glücksfall häuft, da glaube ich, muß doch erst eigentlich Grund zur Beunruhigung sein, denn das ist dann doch völlig unerklärlich: Wo wäre ein Mensch, der dies alles verdiente?«
»Mein lieber Herr Archilochos«, lächelte Bischof Moser,
»die Schöpfung ist nun eben so gemacht, daß dieser Fall kaum einmal eintritt. Die Kreatur ist seufzend, wie Paulus sagt, und so seufzen denn wir alle unter mehr oder weniger sich häufen-den Unglücksfällen, die wir freilich auch nicht zu tragisch nehmen dürfen und eben mehr im Sinne Hiobs begreifen sollen, was Sie so schön und richtig gesagt haben, fast wie Prediger Thürcker. Ein Fall, wie Sie ihn vorhin andeuteten, diese Häufung jedes nur möglichen Glücks, dürfte wohl schwerlich irgendwo aufzutreiben und vorzuweisen sein.«
»Ich bin so ein Fall«, sagte Archilochos.
Es war still im Studierzimmer, und es war immer dunkler geworden; der Tag draußen völlig erloschen, finstere Nacht herrschte, und von der Straße her drang fast kein Laut, nur hin und wieder das Summen eines vorbeifahrenden Autos, die verhallenden Schritte eines Fußgängers.
»Ich werde von einem Glück nach dem andern betroffen«, fuhr der ehemalige Unterbuchhalter leise fort, in seinem tadellosen Straßenanzug, eine Chrysantheme im Knopfloch (der silbergraue Edenhut, die blendendweißen Handschuhe und der elegante Pelzmantel befanden sich in der Garderobe), »auf eine Heiratsannonce im ›Le Soir‹ hin meldet sich das reizend-ste Mädchen, welches mich auf den ersten Blick liebt, und das ich auf den ersten Blick liebe, wie in einem billigen Kino geht 64
alles zu, fast schäme ich mich, davon zu reden, die ganze Stadt beginnt mich zu grüßen, wie ich mit diesem Mädchen durch die Straßen gehe, der Staatspräsident, Sie, alle möglichen wichtigen Persönlichkeiten, und heute mache ich die unwahr-scheinlichste Karriere in weltlichen und kirchlichen Bezirken, steige aus dem Nichts, von der jämmerlichen Existenz eines Unterbuchhalters zum Generaldirektor und zum Weltkirchenrat auf – das ist doch alles unerklärlich und beunruhigt mich tief.«
Der Bischof sagte lange kein Wort, sah mit einem Male alt und grau aus und stierte vor sich hin, hatte auch die Dannemann in den Aschenbecher gelegt, wo sie nutzlos und erkaltet liegenblieb.
»Herr Archilochos«, sagte der Bischof endlich, nun mit einem Male nicht mehr lispelnd und mit veränderter, fester Stimme, »Herr Archilochos, all diese Vorgänge, die Sie mir da an diesem stillen Abend unter vier Augen erzählen, sind freilich seltsam und außergewöhnlich. Was nun auch für Ursachen ihnen zu Grunde liegen, so glaube ich doch, daß nicht diese uns unbekannten Ursachen (hier zitterte seine Stimme, und das Lispeln machte sich einen Moment lang wieder bemerkbar) wichtig oder gar entscheidend sind, liegen sie doch in der Sphäre der Menschen, und hier sind wir alle Sünder, sondern wichtig ist, was dies alles bedeutet: daß Sie ein begnadeter Mensch sind, auf den sich eben die Gnadenbe-weise aufs sichtbarste häufen. Nicht der Unterbuchhalter Archilochos hat sich nun zu behaupten, sondern der Generaldirektor und Weltkirchenrat Archilochos, und es kann sich nur darum handeln, daß Sie nun auch beweisen, ob Sie all diese Gnade verdienen. Nehmen Sie diese Ereignisse ebenso demütig hin, wie Sie es tun würden, wenn es Unglücksfälle wären, das ist alles, was ich Ihnen darüber zu sagen verstehe. Vielleicht haben Sie nun einen besonders schweren Weg zu gehen, den Weg des Glücks, der nur darum den meisten Menschen nicht auferlegt wird, weil sie ihn noch weniger zu begehen wüßten
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