Grieche sucht Griechin - Grotesken
mit der gewaltigen Sonne darüber, den verkrüppelten Ölbäumen in der Ferne und nach dem weißen Schimmer der Hauptstadt des Distrikts am Horizont.
»Das ist die Heimat«, sagte sie, »die deine und die meine.«
»Wo bist du denn gewesen?« fragte er. »Ich habe dich gesucht in der ganzen Stadt.«
»Bei Georgette. Oben in der Wohnung.«
Zwei Punkte bewegten sich in der Ferne, kamen näher. Mr.
und Mrs. Weeman.
Dann hielt sie ihm ihre Liebesrede, ein wenig wie einst Dioti-ma dem Sokrates (eine nicht ganz so tiefsinnige freilich, als Kind eines griechischen Großkaufmanns war Chloé Saloniki robuster, praktischer – (damit sei auch ihre Herkunft berichtigt).
»Siehst du«, sagte sie, während der Wind mit ihren Haaren spielte und die Sonne immer höher in den Himmel rollte und die Engländer immer näher rückten auf ihren Maultieren, »du weißt nun, was ich gewesen bin, dies ist klar geworden zwischen uns. Ich hatte meinen Beruf satt, der ein harter Beruf war, wie jeder ehrliche Beruf. Aber ich war traurig dabei. Ich 124
hatte Sehnsucht nach Liebe, danach, für jemanden zu sorgen, nicht nur zu seiner Freude dazusein, sondern auch für sein Leid, und wie ich eines Morgens, als der Nebel mein Schlöß-
chen umgab, winterlich, dunkel, seit Wochen schon, in ›Le Soir‹ las, daß ein Grieche eine Griechin suche, war ich entschlossen, diesen Griechen zu lieben, nur ihn und niemand anderen, geschehe was wolle, wie er auch wäre. So bin ich zu dir gekommen, an jenem Sonntagmorgen um zehn, mit der Rose. Ich wollte mich nicht verstellen. Ich kam mit meinen besten Kleidern. Wie ich dich annehmen wollte, so wie du warst, solltest du mich annehmen, so wie ich war, und als ich dich am Tische sitzen sah, verlegen, unbeholfen, mit der dampfenden Milch und die Brille reinigend, geschah es, daß ich dich liebte. Doch da du glaubtest, ich sei noch ein Mädchen, da du so wenig Kenntnis der Welt aufwiesest, daß du meinen Beruf nicht zu erraten vermochtest, wie es doch Georgette und ihr Mann taten, wagte ich deinen Traum nicht zu zerstören. Ich fürchtete, dich zu verlieren, und machte alles nur schlimmer. Deine Liebe wurde lächerlich, und als du in der Heloisenkapelle die Wahrheit erkanntest, brach mit deiner Welt auch deine Liebe zusammen. Es war gut so. Du vermochtest mich nicht zu lieben ohne die Wahrheit, und nur die Liebe ist stärker denn sie, die uns zu vernichten drohte. Die Liebe deiner Blindheit mußte zerstört werden um der Liebe willen, die sieht und die allein zählt.«
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Doch dauerte es einige Zeit, bis Chloé und Archilochos zu-rückkehren konnten. Der Staat krachte zusammen. Fahrcks mit den Kreml-Orden unter dem Doppelkinn kam ans Ruder, rot färbte sich der Nachthimmel. Überall Fahnen, überall Sprech-125
chöre: Ami go home; überall Transparente, überall Riesenbil-der Lenins und des gerade nicht gestürzten russischen Ministerpräsidenten. Doch der Kreml war fern, der Dollar notwendig, die eigene Macht verlockend. Fahrcks zog ins westliche Lager, ließ den Chef der Geheimpolizei (Petit-Paysans Sekretär) aufknüpfen und residierte aufs würdigste im Staatspalais am Quai de l’Etat, von der gleichen Leibwache mit den goldenen Helmen und den weißen Federbüschen beschützt wie sein Vorgänger, das rote Haar sorgfältig frisiert, den Schnurrbart gestutzt. Er milderte sein Regiment, seine Weltanschauung verblich, und eines schönen Ostertags besuchte er die Sankt Lukas-Kathedrale. Die bürgerliche Ordnung kehrte wieder ein, doch fanden sich Chloé und Archilochos nicht mehr zurecht.
Sie versuchten es noch einige Zeit lang. Sie eröffneten im Schlößchen eine Pension. Passap mietete sich ein, außer Kurs gekommen (auf dem Gebiet der Kunst hielt Fahrcks am sozia-listischen Realismus fest), Maître Dutour, auch er verkracht, Hercule Wagner mit seiner gewaltigen Gattin, auch er abgesetzt, und der gestürzte Staatspräsident, höflich, den Gang der Dinge betrachtend, schließlich Petit-Paysan (die Verbindung mit dem Gummi- und Schmieröl-Trust war sein Pech), Hausar-beit verrichtend: eine bankerotte Gesellschaft. Nur der Bischof fehlte. Er war zu den Neupresbyteranern der vorletzten Christen übergetreten. Die Pensionäre tranken Milch und sonntags Perrier, lebten still, sommers unter den Bäumen des Parks, verträumt, eingesponnen in eine milde Welt. Archilochos war bestürzt. Er wanderte zu seinem Bruder, der in der Vorstadt mit Mammachen, dem Onkel Kapitän und den Kinderchen eine
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