Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Trümmer rumschleppt oder so was. Und der Brunnermeier, der weiß da Bescheid. Hat sie ja schon mehrmals deswegen behandelt. Und drum bin ich eben hin.«
Jetzt fragt man sich freilich, warum die Frau vom Bürgermeister schwere Trümmer rumschleppt, und nicht er selber. Aber was geht mich das an.
»Und wie sind Sie reingekommen ins Haus? Immerhin wird er Ihnen ja nicht geöffnet haben, wenn er auf dem Küchenfußboden in seinen Körpersäften lag.«
»Also, Eberhofer!«, empört er sich und schüttelt den Kopf. »Der Schlüssel liegt unter einem Blumentopf, so wie halt bei den meisten, gell. Und weil er mir aufs Läuten hin nicht aufgemacht hat, sein Auto aber vor der Tür stand, habich geglaubt, er macht ein Nickerchen und hört mich einfach nicht.«
»So war es ja eigentlich auch«, sag ich noch.
Weil mir jetzt eine Fahrt bei schönem Wetter nach Landshut rein immer noch lieber ist wie diese Unterhaltung mit unserem Ortshäuptling, stoß ich mich vom Fenster ab und schnapp mir die Autoschlüssel.
»Sie schon wieder!«, sagt der Brunnermeier, gleich wie ich zur Tür reinkomm. »Ihr Komplize war auch schon da vor ein paar Tagen. Dem hab ich gleich gesagt, dass er sich schleichen soll. Und für Sie gilt übrigens das Gleiche.«
»Wie geht’s uns denn heute so?«, frag ich und versuch einen mütterlichen Tonfall hinzukriegen.
»Wie’s Ihnen geht, ist mir scheißegal, Eberhofer. Mir persönlich geht’s großartig. Alle zehn Minuten kommt eine von den Schwestern rein und schaut nach, ob ich noch im Bett liege oder bereits unten auf dem Asphalt. Und täglich besucht mich ein äußerst besorgter Kollege, der meint, alles wird wieder gut. Das Leben sei ein wundervolles Geschenk, und man hat sich gefälligst zu freuen darüber. Und immer, wenn er mich fragt, ob ich mich denn nun langsam darüber freuen kann, sag ich: JA! Natürlich! Und, dass ich mich besonders drauf freue, wenn ich wieder heim darf. Heim, zu meinen Rasierklingen!«
Irgendwie hat er jetzt einen schrillen Tonfall drauf. Und gleich darauf geht auch schon die Tür auf und eine Schwester steckt den Kopf rein.
»Alles in Ordnung?«, fragt sie freundlich.
Ich nicke.
»Brauchen Sie irgendwas?«, fragt sie weiter.
Ich schüttel den Kopf.
»Rasierklingen!«, schreit der Brunnermeier.
Weil mir das jetzt auch keinen Spaß macht, verabschiede ich mich und geh.
Wie ich abends heimkomm, hockt der Papa im Wohnzimmer und hört die Beatles. Natürlich in Konzertlautstärke. Er hat die Augen geschlossen und nimmt mich überhaupt gar nicht wahr. Die Küche ist verwaist, drum geh ich erst mal nach hinten in den Garten. Und dort sitzt sie dann auch schon, die Oma. Sitzt ganz entspannt unterm Obstbaum und putzt Gemüse. Der Paul liegt keinen Schritt weit entfernt in der Hängematte und döst. Er hat Gesichtsfarbe heute. Das freut mich.
»Was gibt’s denn heut Feines?«, frag und deute ich der Oma.
»Einen Pichelsteiner«, sagt sie. »Da ist ein Haufen Vitamine drin. Und das tut ihm jetzt gut.«
Vermutlich meint sie den Paul. Wobei mir natürlich so ein Pichelsteiner von der Oma auch guttut. Sehr sogar.
Nach dem Essen mach ich mit dem Papa den Abwasch, weil er von der Oma vor die Wahl gestellt wurde, entweder den Paul medizinisch zu versorgen oder abzuwaschen. Und da hat dreckiges Geschirr eindeutig den Vorrang beim Papa, keine Frage.
»Weißt du eigentlich, was er hat, der Paul«, frag ich ihn, während ich einen Stapel Teller verräume. Der Papa zuckt mit den Schultern.
»Krebs, würd ich mal sagen. Vermutlich im Endstadium«, sagt er und poliert dabei das Spülbecken.
»Aha. Und wie kommst du darauf?«
»Ich habe die Beipackzettel gelesen. Die von seinen Medikamenten. Schließlich will man ja wissen, welche Art von Drogen in den eigenen vier Wänden so aufbewahrt werden.«
Ja, für Drogen zeigt der Papa seit jeher ein gesteigertes Interesse.
»Und du glaubst …?«
»Ich glaub, er macht es nicht mehr lang. Du brauchst ihn dir doch bloß anzuschauen. Es wird ja jeden Tag schlimmer. Er ist doch schon ganz durchsichtig.«
Da hat er recht, der Papa.
»Und warum geht er dann nicht heim?«, frag ich mehr zu mir selber. »Ich mein, zum Sterben geht man doch nach Hause, oder? Vielleicht auch noch in ein Krankenhaus. Aber doch nicht irgendwohin in die Fremde, wo man mal vor hundert Jahren ein Gspusi hatte.«
»Also bitte!«, brummt der Papa. »Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass der und unsere Oma …«
»Ja, wieso denn nicht? Ich mein, die Oma
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