Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Jedenfalls ist ihr Blick auf den Bildschirm gerichtet, seiner mehr auf ihren Ausschnitt.
»Ah, Eberhofer«, sagt er und hievt seinen Scheitel aus dem fremden Dekolleté. »Ich erklär grad unserer neuen Mitarbeiterin das Dings … das Programm, hähä. Was kann ich für Sie tun?«
Dann erscheint der Flötzinger im Türrahmen. Er hat einen Strauß Rosen im Arm. Die Situation ist jetzt vielleichtein bisschen unangenehm. Und so mach ich hier einen Abbruch und geh. Gott sei Dank treff ich im Korridor auf die Susi. Sie hat Kuchen dabei, genauer Tiramisu, und es riecht traumhaft. Ich geb ihr die mir bekannten Daten, nehm dafür ein Stück von ihren Süßigkeiten, und unsere Wege trennen sich wieder. Nach dem Austausch so wesentlicher Elemente leg ich erst mal die Füße auf den Schreibtisch. Leg die Füße auf den Schreibtisch und gönn mir eine kulinarische Pause. Der Bürgermeister kommt rein.
»Haben Sie sich die Neue angeschaut, Eberhofer?«, will er wissen und drückt die Tür hinter sich zu. »Eine Göttin ist das, nicht wahr? Eine wahre Göttin. So was haben wir hier dringend mal gebraucht. Die bringt frischen Wind in unsere angestaubten Räume.«
Da momentan das Tiramisu jeden Winkel meines Mundes in Anspruch nimmt, ist an eine Antwort gar nicht zu denken. Aber ich glaube, das erwartet er auch nicht. Er schwelgt so ganz privat vor sich hin. »Ja, wirklich, eine Bereicherung … eine richtige Bereicherung. In jeder Beziehung. Übrigens, Eberhofer, haben Sie eine Ahnung, was der Flötzinger von ihr will? Mit seinen dämlichen Rosen? Der ist doch verheiratet, Menschenskinder!«
Der Teller ist leer. Ich lutsch mir die letzten Zuckerreste aus den Mundwinkeln.
»Ja, aber Sie sind doch auch verheiratet, Bürgermeister. Und trotzdem haben Sie grad eben ihren kompletten Schädel zwischen diese göttlichen Brüste gesteckt«, sag ich so, und auf einmal pressiert’s ihm.
Kurz vor Feierabend bringt mir die Susi brav die gewünschte Anschrift samt Telefonnummer und fordert im Gegenzug ein romantisches Abendessen. Das lässt sich einrichten, sag ich. Und, dass sie dann gefälligst was Leckeres kochen soll. So quasi: wenn schon, denn schon.
Nach einigen erfolglosen Versuchen kann ich am nächsten Vormittag endlich die Frau Grablonski telefonisch erreichen. Sie hat eine leise, fast weinerliche Stimme, bestätigt mir aber, die Mutter ihres Sohnes zu sein. Stolz ist sie darauf nicht, weil er ein Nichtsnutz ist, ein krimineller. Aber ja, er war bei ihr zu der Tatzeit. Sie wisse das so genau, weil am selben Tag ihr über alles geliebter Wellensittich, der Bibo, gestorben ist. Diesen Tag werde sie nie vergessen. In ihrem ganzen Leben nicht. Und ihr Sohn, der sei auch bald wieder abgereist, weil sie beim besten Willen keinen Platz für ihn hat. Noch nicht einmal jetzt, wo der Vogelkäfig weg ist. Ja, das ist natürlich schade. Somit fällt wohl auch der dürre Grablonski aus dem Raster der mutmaßlichen Mörder. Ich sag ihr, dass ich das noch schriftlich brauche und dass ich einen ortsansässigen Kollegen vorbeischicken werde.
Die Leute in der PI Chemnitz sichern mir gleich ihre unbürokratische Hilfe zu, und trotz dieses abartigen Dialektes, den sie dort sprechen, verstehen wir uns prima. Ich faxe ihnen noch schnell das Bild der erkennungsdienstlichen Behandlung mitsamt Foto vom Grablonski durch, nicht, dass womöglich diese Frau einen ganz einen anderen Sohn hat. Weil: sicher ist sicher. Und dann geh ich heim.
Der nächste Tag ist ein wichtiger Tag. Ein Da-hab-ich-lange-drauf-gewartet-Tag. Und schon bevor ich meinen Arsch überhaupt aus den Kissen hebe, läutet mein Telefon.
»Na, Franz, deine Zeit als Halbaffe ist ja jetzt abgelaufen. Wenn du deine Wettschuld eingehalten hast, ist heute der Zeitpunkt für eine allererste Rasur.«
»Wettschulden sind Ehrenschulden, Birkenberger«, sag ich und setz mich im Bett auf.
»Und, wie schaut’s aus? Ist das Haar noch dran oder bist du schon glatt wie ein Babyarsch?«
»Rudi! Es ist zwanzig nach sechs. Glaubst du im Ernst, ich stell mir den Wecker auf Mitternacht, bloß um mich zu rasieren?«
»Nicht?«
»Nein!«
»Dann kann es ja gar nicht so schlimm gewesen sein«, lacht er in den Hörer. »Wie kommst du in deiner Barschl-Sache voran? Brauchst du Hilfe?«
Im Grunde genommen ist jetzt dem Birkenberger seine Hilfe das Letzte, was ich brauche. Um aber einen Lichtstrahl in sein Schattendasein zu werfen, vereinbaren wir ein Treffen am nächsten Wochenende. Er will nach Landshut
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