Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
es. Schon seit zwei Tagen. Schleudertrauma der übelsten Sorte. Der Karussellbesitzer ist fällig. Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Zurück in meinem Büro ist die Stimmung ziemlich gut, weil sich freilich mittlerweile meine Ermittlungserfolge auch schon bis dorthin rumgesprochen haben. Der Bürgermeister kommt rein, faselt ein paar huldvolle Worte und betont immer wieder, welche Ehre es ist, einen so verdienten Beamten ja praktisch sein Gemeindeeigen nennen zu dürfen. Nein, wirklich, einen so dermaßen verdienten Beamten, sagt er. Ich steh am Fenster und schau raus. Der Catweazle schneidet noch immer die Bäume. Jetzt aber alleine, weil unser werter Hausmeister schließlich Wichtigeres zu tun hat. Aber es scheint, der Catweazle tut es mit Inbrunst. Ja, direkt mitLeidenschaft, könnte man sagen. Er schneidet ein Ästlein, steigt runter von der Leiter, schaut sich das Ergebnis an. Von allen Seiten, versteht sich, dann kraxelt er wieder hinauf. Wie er mich sieht, hebt er die Hand zum Gruße und lacht übers ganze Gesicht. Die unübersehbare Freude einer ganz neuen Beschäftigungstherapie scheint das zu sein. Ich winke zurück. Und dann mach ich heut einmal früher Feierabend. Weil’s die letzten Tage nämlich so wahnsinnig anstrengend war, dass es jetzt direkt nach Erholung schreit.
Kapitel 21
Wie ich in den Hof reinfahr, merk ich es gleich. Das familiäre Hauptquartier ist heut hinten im Garten aufgeschlagen worden. Was auch kein Wunder ist, die Sonne scheint, es weht ein laues Lüftlein und alles ist praktisch ganz fabelhaft. Ich hol mir schnell noch ein Bier aus dem Kühlschrank, und schon gesell ich mich ebenfalls dazu, in die Sommeridylle. Im Schaukelstuhl sitzt der Papa und raucht einen Joint. Dahinter hockt die Oma auf einer Wolldecke in der Wiese und daneben liegt ihr Paul. Seinen Kopf hat sie im Schoß gebettet und das schaut einfach wunderbar aus. Ganz sanft streift sie ihm übers Gesicht. Sehr vertraut und liebevoll.
»Setz dich zu mir her, Bub«, sagt der Papa und hat irgendwie eine ganz seltsame Stimme. Er deutet auf den freien Stuhl neben sich und ich setz mich.
»Der Paul ist gestorben«, sagt er leise.
»Wie … der Paul ist gestorben?«, frag ich, weil ich nicht weiß, wovon er spricht. »Der Paul liegt hier bei der Oma im Gras.«
»Der tote Paul liegt hier bei der Oma im Gras«, verbessert mich der Papa.
Ich steh auf und geh rüber. Der Paul ist blass wie eh. Die Oma hebt ihren Kopf und schaut mich an. Ihre Augen glänzen. Ich geh in die Hocke und such seinen Puls. Werde aber nicht fündig. Nicht am linken Arm und nicht am rechten.
»Lass ihn noch ein bisserl bei mir da«, sagt die Oma fast tonlos.
Mich haut es gleich um.
Dann geh ich zum Telefon und ruf den Brunnermeier an. Der kommt auch umgehend, aber der kann auch nix mehr machen. Kein Puls, kein Herzschlag, kein gar nix.
So hocken wir drei ein wenig ratlos im Garten und schauen runter auf die Decke. Auf die Oma und auf den Paul. Und auf den Abschied, der da grad passiert. Und mir drückt’s direkt einen Knödel in den Hals.
Bei Einbruch der Dunkelheit tragen wir den Paul in das Zimmer von der Oma und rufen die Mooshammer Liesl an, die gleich drauf erscheint. Die zwei Frauen holen Waschzeug und frische Kleidung und schließen die Tür hinter sich. Der Papa zündet Kerzen an. Alle, die er findet. Und der Brunnermeier sitzt dort am Küchentisch und stellt den Totenschein aus.
»Ich kann hier nichts weiter tun«, sagt er schließlich, bekundet sein Beileid und verabschiedet sich.
Wie der Paul gewaschen und gekleidet ist, öffnet die Liesl die Tür, langsam, beinah feierlich, und wir können eintreten. Er schaut gut aus, der Paul. So gut wie noch niemals zuvor. Er riecht nach Kölnischwasser und hat ein entspanntes Gesicht. Die Hände liegen ineinandergefaltet und halten einen Rosenkranz. Die Oma kniet am Kopfende und kann nicht aufhören, sein Gesicht zu streicheln. Und der Papa zieht einen Stuhl hervor, klappt die Bibel auf und beginnt in leisen Worten daraus vorzulesen. Genau so ist es gewesen, wie die Mama starb. Das weiß ich aus Erzählungen. Aus hundertfachen Erzählungen.
Am Morgen ruf ich die Leute von der Bestattung, und kurz darauf treffen sie ein. Sie sind mitfühlend und höflich und spenden dennoch wenig Trost. Die Oma macht Frühstückund die Liesl deckt den Tisch. So setzen wir uns nieder und teilen das wortlose Mahl. Die Ruhe tut gut. Jedem Einzelnen von uns. Dann quietscht der Leopold in den Hof rein.
»Das ist
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