Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
ja ein Drama! Ein furchtbares Drama!«, schreit er schon von der Tür her. Er umarmt die arme Oma, dass die fast an ihrem Honigbrot zu ersticken droht.
»Hab ich’s nicht gleich gesagt«, gschaftelt er weiter, holt sich ein Gedeck und stürmt damit den Frühstückstisch. »Hab ich nicht gesagt, der Paul muss in die Klinik? Ja, das hab ich gesagt. Aber keiner wollte auf mich hören. Keiner. Wo warst du eigentlich, Franz? Ich mein, du hast doch so was wie eine Erste-Hilfe-Ausbildung, wenn ich mich nicht täusche? Wiederbelebung und trara.«
Ich steh auf und bring meinen Teller zur Spüle.
»Jetzt sag schon, wo warst du?«
»Leopold, bitte«, sagt der Papa eindringlich und hindert mich damit, einen Brudermord zu begehen. Ich schnapp mir den Ludwig und wir drehen unsere Runde.
Die nächsten Tage sind relativ freudlos. Was zum einen an der ständigen Anwesenheit vom Leopold liegt, zum anderen an der Abwesenheit von der Oma. Die kommt nämlich nicht mehr raus aus ihrem Zimmer, und wenn doch, dann nur, um einen Happen zu essen oder weil sie aufs Klo muss. Sie schaut unglaublich traurig aus und spricht mit keinem ein Wort. Zumindest nicht, bis der Leopold seinen Bestattungskatalog präsentiert. »Deutsche Eiche!«, sagt er am Küchentisch sitzend und trommelt wie wild auf einen Sarg in der Broschüre. »Dazu weiße Lilien. Herrlich!«
Die Oma schaut ihm kurz über die Schulter und schüttelt den Kopf. Dann sagt sie was von Pappkarton und umweltfreundlich. Und dass der Paul das so gewollt hat, sagt sie.
»Nein, nein, nein, Oma. Das geht natürlich überhaupt nicht!«, sagt der Leopold, steht auf und stellt sich direkt vor das winzige Weib. Er redet laut und mit Händen und Füßen, und ich bin sicher, auch ohne das ganze Drumrum wüsste die Oma haargenau, was er will.
»Mensch, da kommt doch ein ganzer Haufen Leute, Oma, verstehst. Allein schon aus Neugier. Ein ganzer Haufen, bestimmt. Und da muss natürlich ein astreiner Sarg her. Und Musiker. Und Blumen. Ja, ich lass mir doch nicht nachsagen, dass ich meinen eigenen Großvater, meinen geliebten Großvater, in einer Schuhschachtel verscharre. Ja, wir haben doch einen Ruf zu verlieren!«
Er hat sie jetzt an den Schultern gepackt und schüttelt sie. Das geht natürlich rein gar nicht.
Und bis er schaut, hab ich ihn am Krawattl und drück ihn ins Eck vom Hausgang.
»Wenn der Paul in einer Schachtel begraben werden will, wird er in einer Schachtel begraben. Das ist sein letzter Wille, und aus. Das müsstest sogar du verstehen, du Vollidiot!«, knurr ich ihn an. Die Oma kommt, schlenzt mir die Wange und verschwindet dann wieder in ihrem Gemach.
»Papa, Herrschaft, jetzt sag doch du auch was!«, versucht die alte Schleimsau einen Verbündeten zu finden. Aber da hat er Pech. Dieses Mal hat er tatsächlich Pech beim Papa.
»Leopold, lass gut sein«, sagt der fast tonlos. »Es ist die Angelegenheit von der Oma. Der Paul war von Anfang an die Angelegenheit von der Oma, verstehst. Nur wegen ihr ist er hergekommen. Nur, um noch einmal bei ihr sein zu können, bevor er stirbt. Von uns allen … von uns hatte er doch gar keine Ahnung. Sein ganzes Leben lang nicht. Und drum sollten wir uns da auch jetzt nicht einmischen.«
Dann geht er hinaus. Draußen hör ich sein Feuerzeug klicken.
Auf ausgesprochenen Wunsch von der Oma findet dann die Beisetzung vom Paul im engsten Kreis statt. Außer dem Leopold und seiner Familie, dem Papa und mir will sie nur die Liesl dabeihaben. Der Sarg ist aus Pappe, so wie es sein Wunsch war, und trotzdem ist er schön. Ein Kranz aus Sonnenblumen liegt darauf. Drumrum eine rote Schleife. »In Liebe und Dankbarkeit. Leni«. Und wenn der Leopold in seinem ganzen verdammten Leben auch nur einmal etwas Sinnvolles gemacht hat, dann war es, die Trauerrede für den Pfarrer zu schreiben. Der erzählt nämlich jetzt ziemlich ergreifend ein bisserl was aus dem Leben vom Paul, die Sachen eben, die er uns selber zuvor noch erzählt hat. Schade, dass es die Oma nicht hören kann. Aber sie fühlt es, so viel ist sicher. Und der Leopold hat’s ja auch aufgeschrieben für sie. Dann umarmt die Oma den Pfarrer zum Abschied und dankt ihm sehr für seine Worte.
Nach dem Leichenschmaus fährt der Leopold samt Familie endlich ab, und ganz allmählich kehrt wieder so was wie der Alltag zurück.
Wie ich am Montag in der Früh zur Susi ins Büro komm, hockt eine Neue hinterm Schreibtisch. Also nicht etwa die neue Silvie, sondern schon wieder eine Neue. Eine noch
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