Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Beteiligten wieder zu einer regelmäßigen Atmung zurückgefunden haben, wird die Vernehmung fortgesetzt. Schließlich fehlt noch immer ein Geständnis.
»Die Beweise sind eindeutig. Und ein Geständnis ist in jedem Fall strafmindernd«, sag ich und deute auf meine Unterlagen. »Und unter uns gesagt, lange werdet ihr dafür sowieso nicht sitzen, Mädels. Nach all dem, was ihr mitgemacht habt.«
Ein Weilchen drucksen sie noch umeinander, die beiden. Am Ende aber bestätigen sie meine Theorie. Selbst der Fleischklops. Ohne weitere Gegenwehr. Und sie entschuldigt sich sogar noch. Ja, sie entschuldigt sich. Zuerst beim Rudi. Der winkt nur ab. Hält sich die Eier, aber winkt ab. Dann auch bei mir. Und zwar dafür, dass ausgerechnet mein Hirschfänger die Mordwaffe gewesen ist. Das sei so nicht geplant gewesen, sagt sie. Selbstverständlich hatte sie ihr ganz persönliches Werkzeug dabei, keine Frage. Aber dieser Hirschfänger … der lag plötzlich da und war natürlich einfach ideal. Weil dadurch freilich der Verdacht prompt in eine ganz andere Richtung gefallen ist. Das muss ich ja fast persönlich nehmen.
»Aber eines ist wirklich unglaublich«, sag ich noch so.»Dass Sie … dass ausgerechnet Sie einen so jungen, drahtigen Mann wie den Barschl einfach hinterrücks abmurksen konnten. Sie, mit Ihrem Gewicht«, sag ich, lehn mich zurück und verspüre eine gewisse Genugtuung.
Sie lacht etwas bitter. »Nein, nein, Herr Kommissar, Sie können mich nicht mehr demütigen. Alles, was es an Demütigungen gibt auf dieser Welt, hab ich längst schon erfahren.«
Jetzt fängt sie an zu weinen, und der Rudi reicht ihr sein Taschentuch. Sie nimmt es ganz zögerlich und nickt kurz dankbar. »Können Sie sich vorstellen … können Sie sich vorstellen, vom eigenen Vater missbraucht zu werden? Jahrein, jahraus. An Weihnachten und Geburtstagen. Seelisch und körperlich. Von ihm schwanger zu werden. Mehr als nur einmal. Nicht herauszukommen aus … aus diesem verdammten Teufelskreis. Und trotz alledem, ja trotzdem immer und immer wieder dieses tiefe, grenzenlose Mitleid mit ihm zu haben. Ja, eine Art Schuldgefühl. Ein Schuldgefühl, ihm nicht die Frau sein zu können, die er so dringend bräuchte. Die er so geliebt und verloren hat. Aber verdammt, sie hat doch auch mich verlassen! Und sie hat doch auch mir gefehlt. Meine Mutter hat doch auch mir gefehlt!«
Jetzt klappt sie völlig zusammen und bricht in Tränen aus.
Gut, dann ruf ich mal in der PI Landshut an. Schließlich müssen die Damen ja aufs Revier gebracht werden.
Die Frau Hausladen möchte noch ein paar Schritte gehen, sich einfach etwas beruhigen. Nur ein paar Schritte, bis halt die Kollegen eintreffen. Ihr letzter Wille sozusagen. Zuerst mag er ja nicht recht, der Rudi. Aber nachdem ich sie hinterrücks handgeschellt habe, wankt er doch in gebührendem Abstand neben ihr her.
Jetzt ist ja so eine Abtreibung nichts Alltägliches. Im Grunde ist sogar eine Schwangerschaft nichts Alltägliches, zumindest nicht, wenn man keinerlei Sex mit dem Ehemannpraktiziert. Drum will ich also von der Frau Barschl noch wissen, wer denn eigentlich der Kindsvater war.
»Der Victor«, murmelt sie etwas widerspenstig.
Der Victor. Soso.
»Aber warum diese Abtreibung eigentlich? Hätte sich der Barschl denn nicht drüber gefreut? Hätte ein Kind, ja sagen wir mal, diese Phantomfamilie nach außen hin nicht noch viel glaubhafter gemacht?«, frag ich noch so.
»Ha! Glauben Sie, der hätte sich ein Kuckucksei unterjubeln lassen? Nein, niemals. Er hatte ja kein Bedürfnis nach Sex, und so sollte ich eben auch keins haben. Fertig. Und Kinder … Kinder waren ihm schon immer ein Graus! Er hat ja immer das Lokal verlassen, wenn am Nebentisch Kinder saßen. Das ist doch pervers!«
Nein, das ist nicht pervers. Rein überhaupt nicht. Weil ich das auch schon gemacht hab. Weil’s mir halt ums Verrecken nicht schmeckt, wenn ich für ein Heidengeld zum Essen gehe und nebenan fremde Gören grölen.
»Der Plan war wirklich nicht schlecht«, sag ich so zum Abschied. »Es hätte durchaus klappen können.«
Sie nickt ganz traurig. »Im Grunde hat es ja geklappt, Franz«, sagt sie furchtbar leise und streift mir über die Stirn. »Was sind schon ein paar Jahre im Knast, wenn man hinterher frei ist. Das ist allemal besser, als ein ganzes Leben lang gefangen zu sein.«
Da hat sie wohl recht.
Kurz darauf düsen auch schon die Kollegen an, mit Blaulicht und Trara, verfrachten das Weibsvolk ins Wageninnere
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