Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
sag ich und hiev ihn dann in meinen Wagen. Der Weg ist holprig und steinig, aber der Catweazle beißt tapfer seine noch verbliebenen Zähne zusammen. Es dauert ein Weilchen, bis wir drinnen was hören, doch dann schlurft er schon zur Haustür, der Herr Doktor.
»Menschenskinder, was ist denn jetzt schon wieder los, Eberhofer?«, brummt er gleich, wie er uns öffnet.
»Wir brauchen Ihre medizinische Hilfe, Brunnermeier«, sag ich mit Blick auf meinen langhaarigen Begleiter. Der Doktor betrachtet ihn kurz von oben bis unten und vielleicht ein bisschen angewidert. Was man durchaus verstehen kann – macht der Catweazle ja schon ohne Schürf- und Platzwunden einen elenden Eindruck. Der Brunnermeier schnauft theatralisch ein und aus und bedeutet uns schließlich den Weg in sein ehemaliges Behandlungszimmer. Dort verschwinden die beiden auch gleich darauf. Ich bleib lieber draußen. Immerhin muss man sich so eineärztliche Versorgung nicht antun, wenn man nicht unbedingt muss. So geh ich mal rüber ins Wohnzimmer und schau mich dort um. Es sind Unmengen Bücher vorhanden in riesigen Regalen bis rauf zur Decke. Gute Bücher, kein Schund, das sieht man, und alle sehr edel gebunden. Der Doktor muss ein sehr schlauer Mensch sein, wenn er die alle gelesen hat. Vor dem Fenster auf einem uralten Tisch steht eine Flasche Wein. Vornehmes Etikett. Guter Tropfen vermutlich. Daneben ein Schachbrett, was meinen neugewonnenen Eindruck nur noch verstärkt. Die Figuren stehen kreuz und quer, und offenbar sind sie aus Elfenbein. Ist das nicht verboten? Egal. Schaut jedenfalls wunderbar aus. Ich seh mir mal die Dame an. Feine Schnitzereien. Respekt. Man kann beinahe jede einzelne Haarsträhne erkennen. Der König trägt ein Schwert, die Klinge funkelt ein bisschen. Und das Pferd … das Pferd ist so echt, dass man es direkt wiehern hört.
»Herrschaftszeiten, Eberhofer, was tun Sie denn da?«, tönt es von der Tür her, und der Brunnermeier rast ins Zimmer. »Sie können mir doch nicht einfach meine Partie durcheinanderbringen!«
Er erschreckt mich derartig, dass ich beim Hinstellen des Pferdes gleich die ganzen Figuren umwerfe. Jetzt ist er den Tränen nahe, ich seh es genau.
»Weg hier! Gehen Sie weg! Fassen Sie diese Figuren nicht an. Haben Sie überhaupt die geringste Ahnung, was die wert sind? Dafür wurden schon Morde begangen. Jawohl, Morde! So etwas kriegt man heute doch gar nicht mehr.«
Morde. Soso.
»Sie spielen Schach?«, mischt sich jetzt der Catweazle ein und kommt zu uns rüber. Er ist von Kopf bis Fuß verbunden und zugepflastert.
»Ja, ich spiele Schach, wenn Sie erlauben«, knurrt derDoktor wenig freundlich, sammelt entnervt die Figuren auf und beginnt, sie erneut zu platzieren.
»Eine bestimmte Partie?«, will mein haariger Begleiter nun wissen. Der Brunnermeier hält kurz inne und blickt zu ihm rüber, widmet sich aber gleich wieder den Figuren.
»Naiditsch – Kramnik«, nuschelt er lustlos.
»Hui, da haben Sie sich aber was vorgenommen!«, lacht der Catweazle.
»Sie spielen Schach?«, fragt der Doktor jetzt, und es klingt durchaus argwöhnisch.
»Gelegentlich«, kommt prompt die Antwort, und dann nimmt Catweazle ganz behutsam die Dame vom Brett. Gott möge verhüten, dass er sie fallen lässt!
»Wie auch immer«, mische ich mich dann ein. »Ich muss jetzt jedenfalls los. Vergelt’s Gott, Brunnermeier! Auf geht’s, Catweazle!«
Aber die beiden Herren haben urplötzlich ganz andere Pläne. Und sie verzichten darauf, mir zur Haustür zu folgen. Ihnen ist jetzt irgendwie mehr nach einer Schachpartie. Also heb ich zum Abschied die Hand und geh allein zu meinem Wagen.
Kapitel 22
Zurück im Büro kommt ein Anruf vom Richter Moratschek. Er ist freundlich wie immer und auch genauso verschnupft. Ich kann die Gletscherprise regelrecht riechen, die er sich grad hinter die Kiemen zieht.
»Wunderbar, Eberhofer«, nuschelt er in den Hörer. »Wunderbar haben Sie das wieder gemacht. Also, diese zwei Mörderinnen, hähä, da könnte man glatt sagen: eine Hand wäscht die andere, gell. Also, wie sind Sie da bloß draufgekommen?«
Ich sag erst einmal nix, sondern genieße den Augenblick der Beweihräucherung.
»Ein Hund sinds’ schon, Eberhofer. Ein richtiger Hund, gell. Ja, nein, wegen was ich eigentlich anruf, eine Belobigung kriegens’. Für Ihre Verdienste, quasi. Vom Polizeipräsidenten persönlich. Was sagens’ denn dazu?«
»Eine Belobigung?«, frag ich. »Hört sich nicht schlecht an. Gar nicht schlecht,
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