Grim - Das Erbe des Lichts
wird ...«
Doch es war zu spät. Schon fühlte er den Kältezauber, der als drohende Welle auf ihn zuraste, und dann wurde er zu Boden gerissen. Es gelang ihm noch, Mia an sich zu pressen, doch Theryon glitt ihm durch die Finger, und gleich darauf stand die Schneekönigin über ihm, das Gesicht zu einer Maske aus Hass und Wahnsinn verzerrt.
»Du«, rief sie mit kreischend hoher Stimme. »Wie oft willst du mir noch in die Quere kommen, du verfluchter ...«
Da bohrte sich plötzlich ein Lichtstrahl durch ihren Körper, ein gleißend heller Stab, auf dessen Spitze ein Stern prangte. Grim sprang auf die Füße und taumelte mit Mia rückwärts. Sie hatte sich in seinen Mantel gekrallt, und er spürte ihr Herz rasen, als die Schneekönigin den Blick zu ihrer Brust sinken ließ und ungläubig auf den funkelnden Stern schaute. Blut rann über ihr Kleid und färbte es schwarz.
»Du hast dich geirrt«, sagte Rhendralor, der nun hinter ihr auftauchte. Sein Gesicht zeigte einige blutige Kratzer, die jedoch in rasender Geschwindigkeit heilten. Das Blau seiner Augen war fast schwarz geworden. »Ich kenne den Schatten. Doch ich habe mich für das Licht entschieden, lange bevor es dich gab. Ich werde diesen Pfad niemals verlassen — und daran wirst auch du nichts ändern können.«
Er hob seinen Stab in die Höhe, die Königin keuchte, als sich das Licht ihren Brustkorb emporfraß.
»Geh zurück in die Schatten, die du so liebst«, fuhr er fort, und seine Stimme war von tödlicher Kälte. »Doch eines sage ich dir: Solltest du Theryon in meinem Reich noch einmal zu nahe kommen, werde ich dich jagen. Ich werde dich hetzen wie ein Tier, und wenn ich dich gefunden habe, wirst du weder im Schatten noch im Licht Gnade finden vor meinem Zorn.«
Mit diesen Worten riss er den Stab zurück und schoss eine gewaltige Feuersbrunst aus dem Stern. Krachend traf sie die Königin in den Rücken und schleuderte sie mit solcher Wucht gegen die Mauer zwischen den Welten, dass sie hindurchbrach und kreischend im dahinter liegenden Nebel verschwand.
Fassungslos stand Grim da, und auch Mia schien für einen Moment nicht zu wissen, was soeben geschehen war. Rhendralor hatte die Königin am Leben gelassen.
»Warum zum Teufel ...«, begann Grim, doch da trat Theryon hinzu und hob abwehrend die Hand.
Rhendralor fuhr sich mit der Rückseite der rechten Hand über die Stirn, stellte mit einem Fingerzeig seinen Thron wieder auf und ließ sich darauf nieder. Einen Moment lang saß er schweigend. Dann hob er den Kopf und sah Theryon an.
»Nein«, sagte er, als hätte der Feenkrieger ihm eine Frage gestellt. »Du weißt, dass alles wahr ist, was ich gerade sagte: Ich werde dich in meinem Reich immer beschützen. Und du weißt, dass du hier bei uns einen Platz hast — einen Platz bei deinem Volk. Doch wenn du zurückkehrst in die Welt der Menschen, wenn du den Weg weiter beschreitest, für den du dich vor langer Zeit entschieden hast, dann bist du auf dich gestellt. Denn wir ...« Er hielt inne, als kostete es ihn Kraft, die Worte auszusprechen. »Wir werden dir nicht helfen.«
»Was?«
Es war nicht Grim gewesen, der dieses Wort mit Wucht und einiger Lautstärke über die Lippen gebracht hatte, obwohl es sich für ihn einen Augenblick lang so anfühlte. Nein, Mia stand vor dem Thron des Königs und schüttelte den Kopf. Grim wusste, dass sie ihrer Fassungslosigkeit jeden Moment nachhaltig Ausdruck verleihen würde. Doch wieder hob Theryon die Hand. Grim konnte sein Gesicht nicht sehen, denn er hatte sich dem König zugewandt, aber etwas an der Art, wie er Mia zum Schweigen aufforderte, ließ ihn die Luft anhalten.
»Früher habt Ihr für die Menschen gekämpft«, sagte Theryon mit zur Ruhe gezwungener Stimme. »In Eurer Jugend habt Ihr sie als Feenkrieger vor den Schatten der Anderwelt verteidigt, und nicht nur einmal haben wir im Kampf Seite an Seite gestanden und ...«
Das Kopfschütteln des Königs erstickte seine Worte. »Wir kämpften für die Gerechtigkeit, mein Kind«, sagte er beinahe sanft. »Wir kämpften nie für die Menschen. Und das werden wir auch jetzt nicht tun. Wir haben uns vor langer Zeit von den Belangen anderer zurückgezogen. Sieh, was die Menschen getan haben — sieh, was sie noch immer tun. Ich unterstütze deine Mutter nicht bei ihrem Krieg, da eine Welt, die auf Mord und Verzweiflung gegründet wird, nicht besser ist als das, was die Menschen errichtet haben. Aber ich verstehe sie. Ich verstehe auch ihren Hass. Wohin soll
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