Grim - Das Erbe des Lichts
es kommen mit der Welt, wenn die Herrschaft der Menschen nicht gebrochen wird? Ich weiß, dass auch du dir diese Frage stellst.«
Grim sah das Muskelspiel in Theryons Schläfen, er hörte seine angestrengten Atemzüge. »Ich habe den Glauben nicht verloren«, erwiderte der Feenkrieger nicht ohne Zorn. »Ihr habt ihn mir geschenkt. Ihr wart es, der einst an die Menschen glaubte!«
Rhendralor nickte leicht. »Das ist wahr — und lange her. Damals waren es andere Zeiten, damals wären einige von uns dir gefolgt, dessen bin ich sicher. Damals gab es noch ...« Er hielt inne und ließ den Blick zum Fenster hinausschweifen. Grim hörte das Rauschen des Meeres wie aufgebrachte Gedanken, bis der König Theryon wieder ansah. »... Hoffnung«, flüsterte er und ließ das Wort über seine Lippen fliegen wie einen goldenen Schmetterling. »Nicht wahr? Doch heute ist das vergessen. Selbst die Menschen haben den Glauben verloren — denn sie wissen nicht mehr, was sie sind. Vielleicht brauchen sie eine Fee, die es ihnen zeigt.«
Theryon neigte den Kopf und wandte sich halb zurück. Grim sah unbändige Wut in seinem Blick, pechschwarze Wolken zogen über der Ebene seiner Augen dahin.
»Aber sie brauchen keine Fee, die ihnen das Leben nimmt«, sagte Theryon, um Fassung bemüht.
»Nein«, erwiderte Rhendralor, und zum ersten Mal hörte Grim die Traurigkeit, die in seinem Blick lag, in seiner Stimme. »Das haben sie bereits selbst getan. Sie sind mit sich selbst nicht weniger grausam als mit ihren Mitgeschöpfen. Doch sie wissen nichts davon.« Er hielt kurz inne und wiederholte dann kopfschüttelnd und wie zu sich selbst: »Nein. Sie wissen nichts davon.«
Da hob Theryon den Blick. »Nicht immer war es wie jetzt«, sagte er eindringlich. »Einst haben die Feen mit den Menschen gemeinsam gegen das Böse gekämpft.«
Ein Flackern ging durch Rhendralors Blick. »Das ist wahr«, raunte er langsam, als erinnerte er sich selbst gerade in diesem Augenblick wieder an etwas, das tief in seiner Erinnerung vergraben lag. »Aber es ist lange her, dass die Menschen für das Gute kämpften — als Krieger des Lichts.«
Die letzten Worte brandeten wie eine Welle aus Sonnenstrahlen durch den ohnehin schon hellen Saal. Grim spürte, wie die hilflose Anspannung, die sich während der Unterhaltung von Theryon und Rhendralor auf seinen Körper gelegt hatte, davongespült wurde und ein flackerndes, unruhiges Brennen seine Brust durchzog. Er wusste nicht, was dieser Name bedeutete, aber er spürte, dass allein sein Klang Veränderung bewirken konnte.
Rhendralor lächelte. »In dir brennt die Flamme, die ich einst an dich weitergab«, sagte er zu Theryon. »Und manchmal wünschte ich, dass ich sie noch besitzen würde. Vielleicht werden die Menschen den Weg des Lichts niemals wiederfinden. Vielleicht werden sie von der Bedrohung, die deine Mutter über ihre Welt bringen wird, dahingerafft. Die meisten hier glauben das. Aber eines sage ich dir: Wenn sie es eines Tages schaffen, zu ihrer wahren Stärke zurückzukehren — wenn sie fähig werden, den richtigen Weg ebenso zu erkennen wie das, was wirklich da ist —, dann erreichen sie es mit deiner Hilfe.«
Theryon neigte den Kopf. Grim wusste, dass er in Gedanken zu Rhendralor sprach, und als der Feenkrieger sich umwandte und ihn ansah, lag kein Zorn mehr in seinem Blick.
»Der Krieger des Lichts«, murmelte Theryon, während er den Zauber sprach, der sie in ihre Körper zurückbringen würde.
Grim zog die Brauen zusammen. »Ich habe noch nie von ihm gehört. Wer ist das?«
Da hob Theryon den Kopf, er sah Grim an, und gleichzeitig schien es, als würde er in eine endlose, schwarze Ferne blicken. »Eine Legende«, flüsterte der Feenkrieger. »Ein Mythos aus den Annalen meines Volkes, ein Held und ein Krieger, der die grauen Nebel der Vorzeit durchstreifte und sein Blut durch die Zeiten schickte, um Schatten und Dunkelheit zu vernichten. Ja ... Er ist eine Legende — und unsere einzige Chance.«
Kapitel 20
ia fröstelte, als sie hinter Grim und Theryon in den Raum der verbrannten Bücher trat. Das Gesicht der Schneekönigin ging ihr nicht aus dem Sinn, ihre besinnungslose Stimme aus Hass und Verzweiflung und ihr Blick, mit dem sie ihren Vater betrachtet hatte, als wollte sie ihn umbringen dafür, dass er sie allein in die Schlacht ziehen ließ. Und hatte Rhendralor ihr nicht recht gegeben? Dunkel klangen seine Worte in Mia wider.
Selbst die Menschen haben den Glauben verloren — denn sie
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