Grim - Das Erbe des Lichts
Mit acht lief er von zu Hause fort, ich fand ihn, als er am Bahnhof die Pennys aus dem Rinnstein angelte. Seither dient er mir als Schreiber und Gehilfe, und vor einiger Zeit begann ich mit seiner Ausbildung zum Buchbinder und ... Wie auch immer. Jedenfalls verfügt er über geringe Albenmagie, und da er als Balg nicht vom Vergessenszauber betroffen ist, aber dennoch menschlich aussieht, kann ich ihn gut für Botengänge brauchen. Eines Tages wird er mein Geschäft übernehmen, wenn er sich anständig aufführt. Nicht wahr, mein Junge?«
Mia hob überrascht die Brauen, denn bei den letzten Worten hatte sich ein warmer Unterton in Hortensius' Stimme geschlichen, der gar nicht zu seiner zuvor so ruppigen Art passen wollte. Carven nickte eilig und entblößte eine gewaltige Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen, als er grinste.
»Aber jetzt Schluss mit dem Gewäsch.« Hortensius fuhr so schnell herum und baute sich vor der Gruppe auf, dass Mia auf ihrem Stuhl zusammenfuhr und Remis einen leisen Schrei ausstieß. »Was habt ihr hier zu suchen?«
Er hatte offensichtlich mit allen gesprochen, aber er schaute nur Mia an. Sie spürte seine kleinen schwarzen Augen wie glühende Perlen auf ihrem Gesicht.
»Hortensius Palmadus Fahlon, Buchbinder«, brachte sie heraus und entlockte dem Zwerg ein ungeduldiges Schnauben.
»Vielen Dank, dass du mich mir vorgestellt hast«, erwiderte er. »Wie wäre es, wenn ich jetzt langsam mal erfahren würde, mit wem ich es zu tun habe?«
Mia schluckte. »Dies ist Grim, ein Hybrid aus Ghrogonia, und Remis, ein Moorkobold. Theryon, ein Feenkrieger ... und ich bin Mia, eine Hartidin. Wir sind gekommen, um ...«
Hortensius wischte mit der Hand durch die Luft, als wollte er sie zum Schweigen bringen, was ihm auch gelang. Mia wechselte mit Grim einen Blick, der offensichtlich auch nicht wusste, was der Zwerg vorhatte. Dieser lief eilig zu seiner Werkbank, zog eine quietschende Schublade heraus und entnahm ein giftgrünes Fläschchen mit offensichtlich magischem Inhalt. Mia hörte, wie Carven die Luft einsog, und Remis schaute ehrfürchtig auf den Nebel, der sich in der Flasche auf und ab wälzte.
»Moorschleim«, flüsterte er und schluckte hörbar.
Hortensius nickte anerkennend. »Scheinbar hat der Kleinste unter euch den größten Verstand«, murmelte er und brachte Remis dazu, vor Freude rot zu werden. »Moorschleim wird verwendet, um die Wahrheit zu erfahren«, erklärte der Zwerg. »Einen Tropfen auf die Stirn und schon ...«
»... schon sind wir willenlos wie Marionetten und können nicht einmal mehr einen lausigen Zauber wirken«, grollte Grim. Er ließ die Knöchel seiner Faust knacken. »Wir haben keine Zeit für solche Sperenzchen. Die Lage ist ernst, und unsere Aufgabe ist es noch mehr. Der Baron des Zwergenvolkes hat uns gesandt, um ...«
Hortensius hob gelangweilt die Brauen. »Das kommt öfter vor«, erwiderte er. »Kein Grund, nervös zu werden. Und kein Grund für mich, von meinen Prinzipien abzuweichen. Wenn ihr etwas von mir wollt — und so sieht es für mich eindeutig aus —, dann befolgt ihr meine Regeln. Wenn ihr gehen wollt — dort ist die Tür!«
Theryon hob die Hände. »Verzeiht uns«, sagte er. »Es lag nicht in unserer Absicht, Euch zu beleidigen. Wir sind aus einem bestimmten Grund hier, der ... Nur zu. Bindet mein Wort an den Moorzauber, ich habe nicht vor, Euch zu belügen.«
Ohne seine ungebetenen Gäste aus den Augen zu lassen, drückte Hortensius die Flasche mit dem Zauber Carven in die Hand. Schnell huschte der Junge zu Theryon hinüber, öffnete die Flasche, tunkte den Zeigefinger in den grünen Nebel und strich vorsichtig damit über die Stirn des Feenkriegers. Für einen Moment verzog Theryon das Gesicht, als hätte er Schmerzen. Dann entspannten sich seine Züge, und er nickte.
Hortensius kniff leicht die Augen zusammen. »Also noch einmal: Warum seid ihr gekommen?«
»Wir sind auf der Suche nach dem Krieger des Lichts«, erwiderte Theryon mit seltsam monotoner Stimme. »Folpur, der Baron der Zwerge, verwies uns an Euch, den letzten Ritter des Ordens ...«
Noch ehe er den Satz beenden konnte, riss Hortensius die Faust in die Luft. Mit einem Brüllen schlug sein Zauber direkt vor Mias Füßen ein. Sie sprang auf, doch sie konnte sich nicht von dem Zwerg abwenden, dessen Gesicht sich in eine Maske aus Zorn verwandelt hatte. Seine Augen waren nicht mehr als zwei nadelfeine Punkte in einem eingefallenen Gesicht, sein Mund stand offen wie bei
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