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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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was?« Grim lachte leise und deutete auf ein Stück Schokoladenpapier, das auf dem Boden neben der Küchenwerkbank lag. Carven riss das Papier an sich und zerknüllte es eilig. Er hatte gerade den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, als harte Schritte über das Pflaster der Straße näher kamen.
    »Bitte«, flüsterte Carven und sah Grim eindringlich an. »Verratet mich nicht. Sonst muss ich die alten Leimtöpfe polieren, bis mir die Finger abfallen, und ...«
    Da polterte es an der Tür, und ehe Carven sie öffnen konnte, wurde sie mit einem heftigen Ruck aufgerissen. Herein kam ein Zwerg mit einem gewaltigen Zylinder auf dem Kopf, unter dem graues Haar hervorquoll wie Rauch aus einem Schornstein. Pechschwarze Augen saßen über einer von der Kälte rot gewordenen Nase, und ein kurzer, akkurat rasierter Bart umrahmte einen ärgerlich zusammengepressten Mund. Auf den ersten Blick sah der Zwerg aus wie ein Miniatur-Weihnachtsmann, dem irgendjemand gehörig auf den Fuß getreten war. Für einige Sekunden schaute er in die Runde. Mia spürte seinen Blick wie einen Nadelstich. Dann stieß er die Luft aus, machte laut: »Hm!« und riss sich den Hut vom Kopf, woraufhin jede Menge geschmolzenes Schneewasser in den Raum flog.
    Carven eilte zu ihm und ließ sich den Hut in die Hände drücken. »Verzeiht, Master Hor...«, begann er, doch der Zwerg brachte ihn mit verächtlichem Schnauben zum Schweigen.
    »Wenn ich jedes Mal eine Pint trinken würde, wenn du einen Satz mit diesen Worten beginnst, würde Alkohol statt Blut in meinen Adern fließen, so viel ist sicher.« Hortensius bedachte Carven mit einem missbilligenden Blick, während er seinen Mantel auszog. Darunter trug er eine ähnliche Tracht wie sein Lehrling, nur dass die Knöpfe an seiner Weste aus glänzendem Gold bestanden, ebenso wie das Amulett mit dem Wappen der Buchbinder, das er um den Hals trug. Ein breiter Gürtel wand sich um seinen Leib. »Du hast wieder gezaubert«, murmelte er, nachdem er prüfend die Luft eingesaugt und wieder ausgestoßen hatte. »Und wie oft habe ich dir gesagt, keinen ungebetenen Besuch in mein Haus zu lassen?«
    Carven hob entschuldigend die Arme, doch da schüttelte Grim den Kopf. »Es ist unsere Schuld«, sagte er höflich. »Wir haben Euren Lehrling genötigt, uns einzulassen, da wir nicht in Kälte und Schnee auf Euch warten wollten. Und was hätte er gegen uns schon ausrichten sollen? Er ist nur ein Mensch.«
    Da stieß Hortensius die Luft aus, es klang wie ein kurzes, keuchendes Lachen. »Ein Mensch!«, rief er und ging zum Kamin, um seine vor Kälte rot gewordenen Hände am Feuer zu wärmen. »Woher kommt ihr, aus Dummsdorf am Torenteich? Dieser Nichtsnutz hier ist ein Wechselbalg, so ist das. Und wenn er, statt Schokolade zu essen und Geschichten zu lesen, seine Formeln lernen würde, wie ich es ihm aufgetragen habe — und nicht wieder und wieder diesen albernen Drachen formen würde —, hätte er die Tür schon lange vor euch verriegeln können. Er hat das theoretische Wissen, selbst über höhere Magie zu gebieten, also lasst euch von seinem harmlosen Äußeren nicht täuschen.«
    Mia zog die Brauen zusammen und betrachtete Carven genauer, der verlegen auf seine Schuhe starrte. Sie hatte sich Wechselbälger immer ungeheuer hässlich und alt vorgestellt.
    »Menschen«, murmelte Hortensius, denn er hatte ihren Blick offensichtlich bemerkt. »Von denen da draußen erwarte ich nicht, dass sie sein wahres Ich erkennen. Aber ihr als Anderwesen hättet es spüren müssen. Gerade du, Fee!«
    Theryon sah Hortensius mit undurchsichtigem Ausdruck an. Mia kannte dieses Lächeln auf seinen Lippen und diesen rätselhaften, leicht verhangenen Blick, den er immer dann aufsetzte, wenn er die Maske des kühlen Kriegers über seine empfindsamen Züge legte.
    Der Zwerg schnaubte durch die Nase. »Und du«, sagte er und deutete auf Mia. »Bist du nicht eine Seherin?«
    Sie hob leicht die Schultern. »Schon, aber ...«
    Hortensius ließ sie nicht aussprechen.
»Schon, aber ...
Die Lieblingsworte der Menschen, wie mir scheint! Rechtfertigen alles, erklären alles, halten alles und jeden zum Narren.« Er schüttelte für einen Augenblick gedankenverloren den Kopf. Dann besann er sich offenbar darauf, dass sein ungebetener Besuch noch nicht beschlossen hatte, wieder zu gehen, und deutete mit dem Daumen auf Carven. »Ein Wechselbalg ist er — der Bastard einer Elfe und eines Menschen, von einer unsteten Mutter in die Wiege eines Säufers gelegt.

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