Grim - Das Erbe des Lichts
aufschloss.
»Wer zum Teufel ...«, murmelte Hortensius, als er sich zu den Alben umschaute, die tief unten in den Gassen der Liberties zurückblieben.
»Von den Menschen dort unten erwarte ich nicht, dass sie diese Wesen erkennen«, grollte Grim neben ihm und bedachte den Zwerg mit einem verächtlichen Blick. »Aber Ihr aus dem Volk der Zwerge, dessen Ahnen die Alben sind, solltet es besser wissen. Es sind Schattenalben. Sie stehen unter dem Befehl der Schneekönigin, und sie werden die Welt zerstören, wenn Ihr weiterhin so stur seid, wie es sich für Euer Volk gehört, und uns nicht dabei helfen wollt, den verfluchten Krieger des Lichts zu finden. Er ist der Einzige, der die Vernichtung aufhalten kann — aber wenn wir uns nicht beeilen, werden sie ihn vor uns finden, und dann werden sie ihn töten, so viel steht fest. Euch ist das vermutlich egal. Aber was habe ich erwartet? Ihr seid eben ein Zwerg.«
Über Hortensius' Gesicht glitt ein Schatten wie ein Nebel über Ruinen. Mia sah die Traurigkeit in seinem Blick, umgeben von etwas, das wie Verzweiflung wirkte — oder wie Resignation. Nachdenklich zog sie die Brauen zusammen. Hortensius kämpfte gegen etwas in seinem Inneren, gerade in diesem Augenblick, und er barg einen Schmerz in sich, von dem niemand etwas ahnte — nicht einmal er selbst, das fühlte sie. Sein Blick traf den ihren, und sie spürte das Geheimnis, das ihn umgab, wie ein wehendes Seidentuch auf ihrer Haut. Langsam nickte er. Die Geste erschien ihr wie eine Antwort auf ihre Gedanken. Dann lachte Hortensius auf, ein klares, warmes Lachen war es, das jeden Schatten vertrieb und sein Gesicht für einen Moment ganz jung machte.
»Ganz recht«, sagte er entschlossen. »Ich bin ein Zwerg. Und als ein solcher werde ich den Teufel tun und zusehen, wie diese Bastarde von Alben Jagd auf unschuldige Wesen wie mich und meinen Jungen machen!« Ein schwarzes Funkeln ging durch seinen Blick. »Niemand legt sich ungestraft mit Hortensius an, so viel ist mal sicher. Den Kerlen dort unten wird es noch leidtun, mir begegnet zu sein. Und wenn das bedeuten soll, dass ich einen halben Steinkopf ertragen muss, dann soll es eben so sein.« Er fuhr Carven durchs Haar und lächelte ein wenig. »Was sagst du dazu, mein Junge? Dein alter Meister begibt sich auf ein Abenteuer. Machen wir uns auf die Suche nach dem Krieger des Lichts!«
Kapitel 25
rim stieß die Luft durch die Nase aus, dass die Schneeflocken vor seinem Gesicht durch die Luft gewirbelt wurden. Selten hatte er derartig miese Laune gehabt, so viel stand fest, und wenn er vor einigen Stunden noch geglaubt hatte, dass diese Nacht nicht noch schlimmer werden konnte, so war er sich da inzwischen ganz und gar nicht mehr sicher.
Er hockte zwischen Mia und Theryon an einem mickrigen gelben Feuer mitten auf den Hügeln von Tara, umgeben von einem schwach glimmenden Flammenkreis und dem widerwärtigen Geruch gefrorener Schafexkremente. Obgleich Schnee die Kuppen und Steine bedeckte, hatten sich in unregelmäßigen Abständen junge Eichen aus dem Erdreich geschoben. Ihre Stämme schimmerten leicht in der Dunkelheit, und Grim wusste, dass die Kraft der Feenmagie sie wachsen ließ. Zarte Farne der Bhor Lhelyn bewegten sich leicht im Wind und versprühten immer wieder ganze Schleier glitzernder Kristalle, die sich auf ihren Blättern umgehend neu bildeten. Grim spürte, wie der Anblick dieser Pflanzen ihn besänftigte, und wandte sich rasch ab. Schlimm genug, dass er auf diesem Feld herumhocken musste, weil es einem bösartigen Zwerg so gefiel — wenigstens seine Wut wollte er sich nicht nehmen lassen. Irgendwo in der Ferne funkelten die immer wieder erlöschenden Lichter eines Dorfes durch den aufziehenden Nebel. Raben umflogen krächzend den Kirchturm des nahe gelegenen Friedhofs, und ein unbarmherziger Wind fuhr in regelmäßigen Abständen in Grims Gesicht, als wollte er ihm sagen:
Du brauchst gar nicht zu versuchen, nicht zu frieren. Ich werde dir das letzte bisschen Wärme abjagen, und du kannst nichts dagegen tun!
Remis zitterte auf Mias Knie vor sich hin, und Hortensius und Carven saßen ihnen in trostlosem Schweigen gegenüber. Sie hatten sich in lange Mäntel gehüllt, die der Schnee langsam mit einer dünnen Schicht überzog. Hortensius hielt mit der linken Hand seinen Streitkolben aus schwarzem Stahl umfasst, dessen Waffenkopf mit scharfen Klingen und Dornen besetzt war, und wirkte in seiner Reglosigkeit wie ein Krieger kurz vor der Schlacht. Über
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