Grim - Das Erbe des Lichts
schwarzen Tunnel und er sah nichts mehr als das Gesicht des Fremden in einem seltsamen Wechselspiel aus Licht und Schatten. Dieses Bild drang in Grims Inneres ein, und er wusste, dass er es niemals mehr vergessen würde — dieses Gesicht mit dem spöttisch verzogenen Mund, dem diamantenen Auge und dem schwarzen Edelstein — das Gesicht eines Mörders, dem der Ausdruck der Gnade unbekannt geworden war und der in den tiefsten Schatten seines Selbst nichts so sehr verachtete und begehrte wie das Licht.
Unmittelbar darauf schlug Grim mit dem Rücken gegen die Wand. Der Aufprall war so heftig, dass ihm der Atem stockte, und er spürte gleichzeitig, wie der Fremde seinen Bannzauber verstärkte. Wütend ballte Grim die Klauen und fühlte das Eis, das von seinen Gliedern absprang wie Rost von einem sich verbiegenden Stück Metall. So einfach würde er es diesem Kerl nicht machen, so viel stand fest.
Mit einem Schrei riss er die Klauen aus ihrer Erstarrung, schlug sie dem Fremden in die Brust, als wäre diese nichts als ein faulender Baumstamm, und schickte Flammen in dessen Leib. Sofort roch Grim den widerwärtigen Gestank von verbranntem Fleisch. Er schaute dem Mörder direkt in das gesunde Auge, während er die Feuer der höheren Magie durch dessen Körper jagte, und für einen Moment erkannte er sogar etwas wie Schmerz tief hinten in der Finsternis seines diamantenen Blicks. Da stieß der Fremde den Kopf vor. Benommen fuhr Grim zurück. Der Fremde entglitt seinen Klauen und taumelte rückwärts. Schwer atmend griff er sich an die Brust, in der ein riesiges Loch klaffte, und beugte sich vornüber. Blut rann ihm aus dem Mund, in langen Schnüren tropfte es auf den Boden.
Grim schickte einen Sturmzauber in seine Faust, doch noch ehe er angreifen konnte, riss der Fremde den Kopf in den Nacken und starrte ihn aus hassverzerrtem Gesicht an. Lautlos murmelte er einen Zauber. Grauer Nebel strömte aus den feinen Narben seiner Haut, kroch in tastenden Bewegungen über seinen Körper, drang in das verbrannte Gewebe ein und bildete die zerfetzten Rippen und Organe aus nebligen Schleiern nach. Kurz sah es so aus, als bestünden Lunge, Herz und Fleisch aus grauem Nichts. Doch gleich darauf verfinsterte sich der Nebel wie langsam in dunklem Blut versinkender Schnee und wurde zu schwarzen Knochen in klebrigem, sich rasend schnell erneuerndem Fleisch. Schon bildeten sich unter den lautlosen Fingern des Nebels gesunde Sehnen und Muskeln, und eine dünne Hautschicht begann, über die noch klaffende Wunde hinzukriechen.
Grim ballte die Klauen. Er wusste nicht, welchen verfluchten Heilungszauber dieser Kerl gesprochen hatte, der eine solche Kraft entfalten konnte — aber er würde nicht zulassen, dass er ihn vollendete. Mit einem Brüllen stürzte er sich vor, packte den Fremden an der Kehle und schleuderte ihn direkt in den schwarz flackernden Bannzauber, mit dem Kronk und die anderen gefangen gehalten wurden.
Funken sprühten in langen Spiralen zur Hallendecke hinauf, als der Mörder in seinem eigenen Zauber landete, Grims Gefährten zu Boden riss und die Bannschnüre wie die Tentakel einer Krake im Todeskampf durch den Raum schlugen, ehe sie erloschen.
Kronk sprang auf, eine gleißende Lichtpeitsche schoss aus seiner Faust auf den Fremden zu. Doch noch ehe sie sich um den Hals des Mörders schlingen konnte, packte dieser sie mit einem Schrei und riss Kronk zu sich heran. Blitzschnell umfasste der Fremde Kronks Schläfen und schickte eisblaues Licht in den Körper des Schattenflüglers, der sofort unkontrolliert zu zucken begann.
Im selben Moment kamen Walli und Vladik auf die Beine. Atemlos brüllte Grim einen Befehl. Er hatte nicht umsonst seit Jahrhunderten immer wieder mit diesen Schattenflüglern Seite an Seite gekämpft. Er stieß die Fäuste vor, und während Walli einen Schutzwall über Kronk legte, schickten Grim und Vladik mächtige Flammenströme auf den Fremden. Ein unmenschlicher Schrei entwich dessen Kehle, doch er ließ Kronk nicht los. Die Bilder der Mordopfer flackerten hinter Grims Stirn auf und für einen Augenblick hörte er das Mädchen aus seinem Traum schreien. Er würde nicht zulassen, dass dieser Kerl einen der besten Schattenflügler der Anderwelt ins Jenseits beförderte — niemals. Stattdessen wollte er ihn fühlen lassen, was seine Opfer gefühlt haben mussten, als er ihnen das Leben aus dem Leib gerissen hatte. Er wollte sehen, wie dieser Kerl starb, wollte seine Angst spüren und seine
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