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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Hilflosigkeit im Todeskampf, die er selbst über so viele Menschen gebracht hatte. Zorn pulste wie ein übermächtiger Dämon durch seine Adern und ließ die höhere Magie als goldenes Inferno durch den schmerzverzerrten Mund des Fremden in dessen Inneres dringen. Endlich ließ dieser von Kronk ab, der schwer atmend zurückwich.
    Grelles Licht brach aus dem gesunden Auge des Fremden, die gerade noch weiße Haut knisterte und schlug Blasen. Grim wandte sich nicht ab. Er starrte dem Mörder in sein schwarzes Auge und sah zu, wie er bei lebendigem Leib verbrannte, bis er mit einem Zischen in pechschwarze Asche zerstob.
    Schwer atmend ließ Grim die Arme sinken. Ein bitterer Geschmack kroch seinen Gaumen hoch und ließ ihn husten. Leicht schwankend wandte er sich der Frau zu, die noch immer zitternd an der Wand der Halle kauerte, und befreite sie von ihren Fesseln. Er spürte, wie Remis auf seine Schulter flog, und sah der Frau in die Augen. Furcht spiegelte sich darin und die Erinnerung an das Entsetzliche, das sie in den vergangenen Tagen erlebt haben musste — doch tief hinten in der Finsternis flammte etwas auf, ein zärtliches Staunen, als sie ihm ins Gesicht sah, das Grim lächeln ließ.
    Später wusste er nicht mehr, ob es die plötzlich wiederkehrende Furcht in den Augen der Frau gewesen war, die ihn dazu gebracht hatte herumzufahren — oder das leise, flüsternde Rauschen der Asche, das auf einmal den Raum erfüllte wie das Summen winziger Bienen. Grim erinnerte sich nur noch daran, dass er sich umwandte — und obgleich die folgenden Augenblicke binnen eines Wimpernschlags geschahen, nahm er sie wahr wie in Zeitlupe.
    Inmitten der Asche kniete, den Kopf tief geneigt, eine vollständig skelettierte Gestalt. Mit der rechten Hand stützte sie sich am Boden ab, während der linke Arm auf dem angezogenen Knie ruhte. Nebel stieg aus der Asche auf, umschmeichelte den reglosen Körper und fuhr wie mit leckenden Zungen über die Knochen. Muskelgewebe bildete sich an den Beinen, Fleisch zog sich über Arme und Brustkorb und bedeckte bereits Teile des Gesichts, als der Nebel die Augenhöhlen der Gestalt erreichte. Gierig stürzten die grauen Schleier sich hinein, für einen Moment flirrte der Nebel in flackerndem Licht. Dann zog er sich zurück. Grim sah, wie die Gestalt langsam den Kopf hob — und hinter den wirbelnden Ascheflocken starrte ihm ein diamantenes Auge entgegen.
    Im nächsten Moment raste der Fremde mit wahnsinnigem Schrei auf ihn zu, und ehe Grim begriffen hatte, was vor sich ging, umschlossen bereits knöcherne Finger seine Kehle. Die freie Hand streckte der Fremde nach den Schattenflüglern aus, Grim hörte sie unter flammenden Peitschen aufschreien. Er selbst bekam kaum Luft und starrte fassungslos in das Gesicht des Fremden, über dessen rohem Fleisch sich langsam Hautfetzen bildeten. Nur die Augen starrten ihn lidlos an wie die eines Toten. Schatten flackerten im diamantenen Auge, und aus dem noch lippenlosen Mund kroch Nebel wie ein Schleier aus Gift. Grim hörte eine leise, betörende Melodie, als würden Sirenen in dem Nebel singen, der unaufhaltsam auf ihn zukroch und sich mit ehernem Griff um seinen Kiefer wand, bis er den Mund öffnete. Gierig stürzte sich der Nebel in Grims Körper, für einen Augenblick schwoll der Gesang bis zur Unerträglichkeit an. Die Klänge zerrissen etwas in ihm und ließen es zerfetzt und blutig zurück. Er wollte schreien, aber jeder Ton wurde von den Tüchern aus Finsternis verschluckt, die sich in seinem Inneren ergossen wie die Schatten der Hölle.
    »Wer bist du?«, zischte der Fremde, und auf einmal wusste Grim, dass der Nebel ihn erkundete, während er ihn tötete — seine Gedanken, seine Erinnerungen, er saugte ihn aus wie ein Egel sein Opfer. Deswegen waren die Menschen in den Straßen von Paris blutleer gefunden worden: Der Fremde hatte ihnen ihr Leben gestohlen — bis auf den letzten Rest. Wie ein Schwerthieb durchzog Grim der Schmerz, als der Mörder in seine Gedanken eindrang.
    »Feind«, raunte der Fremde und lächelte, als würde er mit jedem Wort Gift unter Grims Haut spritzen. »Auf wessen Seite stehst du?« Und Grim meinte, eine säuselnde, eiskalte Stimme zu hören, ein Flüstern, das ihm durch und durch ging.
Menschenfreund ...
Er begann zu zittern, er spürte, wie das Leben ihm aus dem Leib rann.
Grim.
Die Stimme eines Mädchens zerriss die Nebel, die sich um sein Bewusstsein schlingen wollten. Mias Bild schob sich durch die Schleier in seinem

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